Renten Wirtschaft läuft Sturm gegen Rentengeschenke

IW-Studie: Rentenniveau hat wenig mit Altersarmut zu tun / Wirtschaft gegen Gesetzesänderung

Das Institut der deutschen Wirtschaft hält nichts davon das Rentenniveau anzuheben. Archivbild.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Berlin. Teile der Regierung und die Gewerkschaften wollen das Rentenniveau stabilisieren oder sogar anheben. Doch ist dieses Mittel wirklich geeignet, um Altersarmut vorzubeugen? Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Arbeitgeber-Lagers weckt daran massive Zweifel.

Das Rentenniveau sinkt nach den gesetzlichen Vorgaben der früheren, rot-grünen Bundesregierung schon seit dem Jahr 2003. Damals waren es 53 Prozent. Heute sind es noch 47,5 Prozent. Die politische Debatte darüber ist allerdings erst in den letzten Monaten entbrannt. Viele verbinden damit den direkten Weg in die Altersarmut. Der IW-Rentenexperte Jochen Pimpertz hält diese Annahme jedoch für unbegründet. Ein Rückschluss von der gesetzlichen Rente auf eine Armutsgefährdung sei schon deshalb unzulässig, weil eine Messung der Einkommensarmut weitere Einkommensquellen berücksichtigen müsse, sagte Pimpertz gestern bei der Vorstellung einer Untersuchung im Auftrag der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", einer Denkfabrik der Arbeitgeber.

Nach Angaben des IW müsste demnach nämlich schon heute rund die Hälfte der Rentner als altersarm gelten, denn ihre gesetzlichen Altersbezüge liegen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge bei etwa 750 Euro und weniger im Monat - und damit auf Grundsicherungsniveau. Tatsächlich sind auf diese staatliche Fürsorge aber nur etwa drei Prozent der Ruheständler angewiesen. Der übergroße Teil hat also noch weitere Einkünfte, etwa aus betrieblicher oder privater Vorsorge, und lebt mit einem Partner zusammen, der ebenfalls über Einkünfte verfügt. Mit einem Einfrieren oder gar einer Erhöhung des Rentenniveaus würde sich laut der IW-Untersuchung indes kaum etwas an der Lage der wirklich Bedürftigen ändern. "Da von einem höheren Versorgungsniveau auch alle Rentner mit Anwartschaften oberhalb der Grundsicherungsschwelle profitieren, provoziert ein solches Instrument vor allem Mitnahmeeffekte", meinte Pimpertz.

Das Rentenniveau beschreibt das prozentuale Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittseinkommen aller Erwerbstätigen. Laut Gesetz soll das Rentenniveau bis 2029 auf bis zu 43 Prozent sinken, um den Beitrag bezahlbar zu halten. Er soll dann bei höchstens 22 Prozent liegen. Gegenwärtig sind es 18,7 Prozent. Bliebe das Rentenniveau auf dem heutigen Stand (47,5 Prozent), wäre 2029 laut IW jedoch ein Rentenbeitrag von 23,5 Prozent fällig. Bei einem Sicherungsniveau von 50 Prozent, wie es etwa die Gewerkschaft Verdi fordert, müssten gar 25 Prozent aufgebracht werden. Das ginge womöglich gleich in doppelter Hinsicht zu Lasten der Beschäftigten: Sie hätten die erhöhten Beitrage zu zahlen. Und obendrein müssten wohl viele um ihren Job bangen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat kürzlich eine Untersuchung veröffentlicht, wonach ein Prozentpunkt Rentenbeitrag mehr bis zu 80.000 Jobs kosten könnte.

Kein Wunder, dass die Wirtschaft Sturm gegen alle Pläne zur Änderung der Absenkung des Rentenniveaus läuft. In einem ebenfalls gestern veröffentlichten Positionspapier des Arbeitgeberverbandes BDA wird stattdessen eine Vorsorgepflicht für Selbständige und eine stärkere Förderung der Riester-Rente gefordert.

Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Carsten Linnemann, nannte die IW-Untersuchung "wichtig, um sich überhaupt eine Meinung zu bilden und die Diskussion zu versachlichen". Es sei sehr fragwürdig, das Armutsrisiko an der Höhe der gesetzlichen Rente festzumachen, wie es in zahlreichen anderen Studien geschehen sei, sagte Linnemann unserer Zeitung.