Wirtschafts-Nobelpreis für Konsum- und Armutsforscher
Stockholm (dpa) - Für seine Studien über Konsum, Armut und Wohlfahrt bekommt der britisch-amerikanische Ökonom Angus Deaton den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft 2015.
„Der diesjährige Preis handelt von Konsum im Großen und Kleinen“, sagte Göran Hansson, Generalsekretär der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften. „Um eine Wirtschaftspolitik zu gestalten, die Wohlstand fördert und Armut verringert, müssen wir zuerst individuelle Konsum-Entscheidungen verstehen. Wie kein anderer hat Angus Deaton dieses Verständnis verbessert.“
Der 69-jährige gebürtige Schotte beschäftigt sich unter anderem mit Fragen der Entwicklungs-, Wohlfahrts- und Gesundheitsökonomie und lehrt an der US-Eliteuniversität Princeton. „In den letzten vier, fünf Jahrzehnten hat er unermüdlich daran gearbeitet, Konsum zu verstehen - und damit viele Bereiche der Wirtschaft verändert“, sagte Nobeljuror Per Strömberg der Deutschen Presse-Agentur.
Deaton habe vor allem geholfen, Armut in Entwicklungsländern zu begreifen. Anstatt diese am Einkommen zu messen, habe er sich angesehen, was die Menschen konsumieren. „Und es stellte sich heraus, dass das ein viel besseres Maß für Armut ist“, sagte Strömberg. Für seine Studien arbeitete Deaton mit der Weltbank zusammen.
Der Nobelpreisträger entwickelte außerdem eine Methode, um die Nachfrage zu messen. Wenn eine Regierung zum Beispiel eine Steuer erhöhen will, kann man damit schätzen, wie die Verbraucher darauf reagieren und wen die Veränderung am härtesten trifft. Zuvor hatten Ökonomen über Jahrzehnte große Probleme gehabt, ein System zu finden, das tatsächlich funktionierte. „Deatons System wird von Ökonomen und politischen Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt genutzt“, sagte Strömberg.
Über die Nachricht vom Nobelpreis sei er „überrascht und erfreut“, sagte Deaton am Montag bei einer Pressekonferenz in Stockholm, wo er per Telefon aus den USA zugeschaltet war. Er freue sich darauf, zur Preisverleihung nach Schweden zu kommen. Der Wirtschafts-Nobelpreis wird gemeinsam mit den Nobelpreisen für Medizin, Physik, Chemie und Literatur am 10. Dezember - dem Todestag Nobels - in Stockholm überreicht. Nur der Friedensnobelpreis wird in Oslo überreicht.
Die Auszeichnung ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (etwa 850 000 Euro) dotiert. Anders als die traditionellen Nobelpreise geht sie aber nicht auf das Testament von Alfred Nobel zurück. Die Reichsbank stiftete den Preis erst 1968. Offiziell heißt er deshalb auch nicht Nobelpreis, sondern „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel“.
In Deutschland gratulierte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD): Deaton habe „vor allem das Verständnis darüber verbessert, wie Wirtschaftspolitik so gestaltet werden kann, dass sie Wohlstand erzeugt und Armut verringert.“ Damit leiste er einen wichtigen Beitrag, wie wirtschaftspolitische Reformen bewertet werden können, erklärte Gabriel.
Der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI/Essen) und Chef des Sachverständigenrates, Christoph Schmidt, hob die hohe gesellschaftliche Relevanz der Arbeiten Deatons hervor. Schmidt, der in Princeton promovierte, wurde nach seinem Bekunden während seines Doktorandenstudiums auch von Deaton betreut.
Trotz aller intellektuellen Aura habe Deaton durch seine Bodenständigkeit und seinen Sinn für Humor geglänzt, erklärte der RWI-Chef. Glückwünsche kamen auch von Gerd Wagner, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin).
Er zeigte sich jedoch verwundert, dass nicht auch der fast 90-jährige US-Wissenschaftler Richard Easterlin ausgezeichnet wurde, „der die „Glücksforschung“ bei den Ökonomen sozusagen erfunden“ habe. Auch der US-Psychologe Ed Diener hätte es verdient. Schon öfters seien drei Forscherpersönlichkeiten gewürdigt worden.
Dass ein Mann geehrt wird, der in den USA forscht, ist beim Wirtschafts-Nobelpreis die Regel. Nur einmal ging der Preis in den vergangenen Jahrzehnten an eine Frau: 2009 an die inzwischen gestorbene US-amerikanische Umwelt-Ökonomin Elinor Ostrom.
Nobel-Juror Strömberg sieht aber einen Trend zu mehr weiblichen Preisträgern - und mehr Kandidaten außerhalb der USA. Weil es in Nordamerika jahrzehntelang die meisten Elite-Universitäten gegeben habe, werde noch oft Forschung von dort ausgezeichnet. Das ändere sich heute: „Immer mehr gute Universitäten tauchen in anderen Teilen der Welt auf“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. 2014 hatte der Franzose Jean Tirole für seine Forschungen über Marktmacht und Regulierung den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten.