Wirtschaftsstimmung kühlt sich deutlich ab
München (dpa) - Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und die trübe Wirtschaftslage in den USA schlagen auf die Stimmung der deutschen Unternehmen durch. Der ifo-Index verschlechterte sich im August unerwartet drastisch und fiel kräftig von 112,9 auf 108,7 Punkte, wie das ifo Institut in München mitteilte.
Bereits im Juli hatte das wichtigste Stimmungsbarometer nachgegeben. Nun erreichte der Wert den tiefsten Stand seit Juni 2010. Besonders deutlich trübten sich die Erwartungen der befragten Unternehmen ein. „Die deutsche Wirtschaft kann sich den weltweiten Turbulenzen nicht entziehen“, sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Sorgen bereitet Volkswirten vor allem der Blick nach vorne: Der Wert für die Erwartungen an die kommenden Monate ging von 105 auf nur noch 100,1 Punkte nach unten. „Die Abkühlung ist schon stärker als erwartet“, sagte ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger der Nachrichtenagentur dpa. Zwar sei lange erwartet worden, dass sich das kräftige Wirtschaftswachstum nach der jüngsten schweren Krise in der zweiten Jahreshälfte abschwächt, allerdings nicht ganz so deutlich. „Es gab die Hoffnung, dass sich die Weltwirtschaft gut hält.“ Doch vor allem die weiter triste Lage in den USA mache die Lage schwierig.
„Die Erholung dort läuft deutlich schleppender als erhofft“, sagte Abberger. „Das steckt nun auch die deutsche Wirtschaft an.“ Die hatte sich in den vergangenen Monaten meist als Wachstumslok erwiesen - ob sie das bleiben kann, wird sich erst zeigen müssen. Immerhin bewerten die meisten Firmen ihre Lage weiter als gut und können in der Regel noch einige Zeit von vollen Auftragsbüchern zehren. Viel hinge davon ab, wie sich bis dahin die Schuldenkrise und die Lage in den USA entwickelt. Bis zum Herbst müssten die Turbulenzen an den Finanzmärkten weitgehend geglättet sein, sonst drohe Schlimmeres.
Die Gefahr eines neuerlichen Absturzes sehe er aber noch nicht. „Nicht jeder Abschwung führt gleich in eine tiefe Rezession.“ Allerdings seien die Möglichkeiten der Politik, gegenzusteuern inzwischen begrenzt. Milliardenteure Konjunkturprogramme wie in der letzten Krise seien angesichts der desaströsen Finanzlage in vielen Staaten nicht mehr zu stemmen - und auch nicht glaubwürdig. Die Politik müsse vor allem für eine mittelfristige Perspektive, für Vertrauen und solidere Staatsfinanzen sorgen. „Europa geht durch eine schwierige Phase.“
Bereits zuvor hatte der Einbruch der ZEW-Konjunkturerwartungen um 22,5 Punkte auf minus 37,6 Zähler die Sorgen vor einer Rezession in Deutschland befeuert. Der Außenhandelsverband BGA warnte sogar vor einer globalen Wirtschaftskrise bis hin zur Depression. Derzeit handele es sich zwar um eine zyklische Abschwächung nach dem kräftigen Wachstum. „Doch wenn es uns nicht gelingt, die europäische Schuldenkrise in den Griff zu kriegen, sehe ich die Gefahr einer Rezession, die im schlimmsten Fall zu einer weltwirtschaftlichen Depression führen kann“, sagte BGA-Präsident Anton Börner.
Der bisher so kraftvolle Aufschwung sei erstmal vorbei, schreibt auch die UniCredit in einer Analyse. Nach ihren Höhenflügen in den vergangenen zwei Jahren bereite sich die Ökonomie nun auf die Landung vor. Deutschland werde als exportabhängiges Land sich von einem Abschwung andernorts nicht abkoppeln können. Die Commerzbank mahnt zur Differenzierung. „Dass sich die Konjunktur zwei Jahre nach Ende der Rezession verlangsamt, ist normal“, schrieb Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Ob es bei einer bloßen Abkühlung bleibt oder eine schwere Rezession folgt, wird wohl die Staatsschuldenkrise entscheiden.“
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte hingegen vor der Veröffentlichung der ifo-Daten vor Schwarzmalerei. „Möglicherweise haben wir es nicht mehr mit einem Aufschwung XXL zu tun, aber immerhin noch mit einem Aufschwung XL“, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann im „Handelsblatt“ (Mittwoch). „Wir können in diesem Jahr beim Wachstum durchaus noch eine Drei vor dem Komma erreichen. Das ist ein Wert, über den man nicht traurig sein muss“, sagte Driftmann und forderte die Unternehmen auf, sich nicht „ins Bockshorn“ jagen zu lassen. „Die Nervosität der Märkte aber wirkt sich im Moment negativ auf die Stimmung aus.“