„Wirtschaftsweiser“: Angst vor Abstieg und Armut ist zu groß
Freiburg (dpa) - Der Freiburger Ökonom und „Wirtschaftsweise“ Lars Feld mahnt mit Blick auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation Deutschlands zu mehr Gelassenheit.
In der Debatte um Armutsrisiko und Abstiegsgefahr gehe die Schere zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und der tatsächlichen Situation immer weiter auseinander, sagte Feld der Deutschen Presse-Agentur. Deutschland sei in einer hervorragenden wirtschaftlichen Verfassung. Auch die Flüchtlingskrise stelle keine existenzielle Gefahr für Wirtschaft oder öffentliche Haushalte dar. Dennoch gebe es in weiten Teilen der Bevölkerung Befürchtungen, die seit Jahren zunähmen.
„Deutschland geht es gesamtwirtschaftlich so gut wie nie“, sagte Feld. Es gebe ein gutes und kontinuierliches Wirtschaftswachstum sowie eine deutlich gesunkene Arbeitslosigkeit. Zudem gingen die Löhne und Gehälter nach oben. Wegen der niedrigen Zinsen seien die Konsumbereitschaft hoch und die öffentlichen Finanzen solide.
Mit einem Absturz sei derzeit nicht zu rechnen, die Aussichten seien günstig. Dennoch bestimmten häufig Sorgen das Bild. „Die Ängste werden umso größer, je besser es den Leuten geht“, sagte Feld: „Das klafft massiv auseinander.“ Vor allem in der deutschen Mittelschicht gebe es die Angst des Abstiegs: „Doch gerade dieser Schicht geht es besser denn je.“ Sie profitiere besonders von größerer Sicherheit und steigenden Einkommen.
„Bezogen auf die Verteilungsproblematik sagen alle, wir haben massive Ungerechtigkeiten in den vergangenen 15 Jahren. Doch das Gegenteil ist der Fall“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Das Wachstum nutze allen gesellschaftlichen Schichten. Eine zu große Lücke zwischen Arm und Reich sei nicht zu befürchten.
„Und nun kommt auf diese so gut funktionierende Volkswirtschaft die Flüchtlingsmigration zu“, sagte Feld weiter: „Wenn wir diese anständig in Grenzen halten und vernünftig mit ihr umgehen, dann ist das für die deutsche Wirtschaft und den Staat gut verkraftbar.“
Im Jahr 2016 müsse mit zusätzlichen direkten Kosten für die öffentliche Hand durch Flüchtlinge zwischen 11 und 14,3 Milliarden Euro gerechnet werden. Im Jahr 2015 seien es 5,9 bis 8,3 Milliarden Euro gewesen. Wichtig sei, stärker als bisher in die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge zu investieren und die Betroffenen fit für den deutschen Arbeitsmarkt zu machen. Zudem müssten nicht geduldete Asylbewerber konsequenter abgeschoben werden.
Der 49 Jahre alte Feld ist Leiter des Walter Eucken Instituts und Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg. Er gehört seit 2011 dem Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an und ist somit einer von fünf „Wirtschaftsweisen“ in Deutschland.