EU springt in die Bresche WTO-Vizechef sieht US-Führungsvakuum
Buenos Aires (dpa) - Die USA haben mit ihrer „America First“-Politik nach Meinung des deutschen Vizechefs der Welthandelsorganisation (WTO), Karl Brauner, ein Führungsvakuum verursacht.
Das sei in der WTO, die sich für die Liberalisierung des Welthandels einsetzt, zu spüren, sagte Brauner der Deutschen Presse-Agentur vor Beginn der WTO-Ministerkonferenz. Die Tagung beginnt am Sonntag in Buenos Aires und will unter anderem Fischerei-Subventionen beschneiden, die zur Überfischung der Weltmeere führen.
„Die USA waren 70 Jahre lang die Führungsmacht bei der Entwicklung des Welthandelssystems. Präsident Trump hat die Führungsrolle aufgegeben. Sie ist verwaist“, sagte Brauner. „Wir haben ein Führungsdefizit. Die USA sind als Führungspartner bislang nur schwer zu ersetzen.“ Für die Europäische Union sei das aber eine Chance, die sie zunehmend wahrnehme. „Die EU ergreift viele Initiativen und schmiedet neue, interessante Allianzen, das ist zu begrüßen“, sagte Brauner. Er nannte etwa einen gemeinsamen Vorstoß mit Brasilien, um weltweit inländische Agrarsubventionen zu begrenzen.
Für Populisten, die in die gleiche Kerbe hauen wie US-Präsident Donald Trump, sieht Brauner keine Chance. „Die Einsicht wird sich durchsetzen, dass wir die Probleme der Welt nur gemeinsam lösen können. Nationalismus, Separatismus und Populismus sind Irrwege.“ Das Blatt werde sich wenden. „Die Völkergemeinschaft wird den Weg zu gemeinsamen Lösungen wieder einschlagen. Es ist eine Frage der Zeit.“
Für Verbraucher das spannendste Thema der WTO-Tagung seien die Fischereisubventionen. „Wenn wir in Buenos Aires beschließen, die schädliche Subventionierung des Fischfangs einzuschränken und letztendlich zu verbieten, dann wird der Verbraucher auf Dauer und mit gutem Gewissen Fisch genießen können“, sagte Brauner.
Die WTO müsse aber auch die Themen Umweltgüter, Dienstleistungen und elektronischen Handel angehen. „Wir waren schon mal ganz nah dran, Umweltgüter von Einfuhrzöllen zu befreien“, sagte Brauner. „Eine Vereinbarung über den besseren Zugang für Verbraucher zu weltweiten Dienstleistungsangeboten stand auch schon mal kurz vor dem Abschluss. Da müssen wir wieder anknüpfen.“ Beim elektronischen Handel seien einheitliche Regelungen nötig, damit Bürger auch jenseits der nationalen Grenzen sicher einkaufen können.