Zwei-Klassen-Gesellschaft in Autobranche

Berlin/Stuttgart (dpa) - Die Krise auf dem europäischen Automarkt spaltet die Industrie in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Angesichts der massiven Probleme einiger Hersteller und eines scharfen Preiskampfes ist nun ein massiver Streit zwischen Branchenführer Volkswagen und Fiat entbrannt.

Der VW-Vorstand und Fiat-Chef Sergio Marchionne gerieten kräftig aneinander: VW forderte Marchionne auf, seinen Vorsitz im europäischen Branchenverband Acea aufzugeben. Hintergrund sind von der „New York Times“ verbreitete Äußerungen Marchionnes, Volkswagen richte mit einer rücksichtslosen Preispolitik ein „Blutbad“ an. VW nutze die Krise, um mit aggressiven Rabatten Marktanteile zu gewinnen

VW-Kommunikationschef Stephan Grühsem erklärte, Marchionne sei als Acea-Präsident untragbar und solle gehen. Angesichts der Äußerungen des Fiat-Chefs sei auch ein Austritt aus dem Acea eine Option für Volkswagen. VW ist ein Schwergewicht in dem einflussreichen Verband. Von Fiat gab es zur Forderung von VW am Freitag keine Stellungnahme.

VW hat derzeit allerdings noch andere Sorgen: Europas größter Autobauer nimmt einen möglichen Ideenklau durch seinen chinesischen Partner First Automotive Works (FAW) unter die Lupe. Medienberichten zufolge soll FAW bei Zulieferern Angebote für Bauteile einholen, um womöglich selbst ein VW-Getriebe ohne Rücksprache zu fertigen.

Volkswagen, deren zwölfte Tochter der Sportwagenbauer Porsche werden soll, ließ am Vortag bei der Präsentation seiner Quartalszahlen zwar vorsichtigere Töne anklingen, profitiert allerdings von seiner weltweiten Aufstellung. Ähnlich wie Porsche helfen auch VW Zuwächse im starken Asien- und Amerikageschäft.

Porsche selbst legte am Freitag glänzende Zahlen vor: Die Schwaben profitieren von der ungebrochenen Nachfrage aus den USA und in China. Der Umsatz wuchs im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29,3 Prozent auf rund 6,76 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis legte um 20,6 Prozent auf 1,26 Milliarden Euro zu. Das Geschäft mit Luxusautos ist weniger abhängig von der weltweiten Konjunktur.

Wer stark von Europa abhängig ist, leidet jedoch unter Einbrüchen - wie zum Beispiel Renault. Der zweitgrößte französische Autobauer meldete am Freitag wegen der Flaute in Europa erhebliche Gewinneinbußen. Im Gegensatz zum einheimischen Konkurrenten PSA Peugeot Citroën hielt sich der Bündnispartner von Nissan im ersten Halbjahr allerdings noch in den schwarzen Zahlen. PSA steckt tief im Minus, hatte am Vortag ein Milliarden-Sparprogramm angekündigt und will 8000 Stellen streichen. Renault verdiente in den ersten sechs Monaten des Jahres unter dem Strich 746 Millionen Euro - ein sattes Minus von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Auch Fiat hat vor allem mit Absatzproblemen auf seinem Heimatmarkt talien zu kämpfen, dort sind die Verkäufe vor dem Hintergrund der Schuldenkrise eingebrochen. Konzernweit profitiert Fiat aber von der Stärke seiner US-Tochter Chrysler.

Im Rennen um den Spitzenplatz der Autobauer holte sich unterdessen Toyota die Pole-Position zurück. Mit 4,97 Millionen verkauften Fahrzeugen im ersten Halbjahr schoben sich die Japaner vor den US-Rivalen und Opel-Mutterkonzern General Motors. Toyota hatte die Führungsrolle im vergangenen Jahr nach dem schweren Erdbeben und Tsunami in seinem Heimatland abgeben müssen. Nummer drei ist derzeit Volkswagen. Bis spätestens 2018 wollen die Wolfsburger an der Spitze stehen.