Zweigeteilter Wohnungsmarkt: Mietenexplosion und Leerstand
Berlin (dpa) - Explodierende Mieten in den Großstädten und massenhafter Leerstand vor allem im Osten - der Wohnungsmarkt in Deutschland driftet weiter auseinander. Leer gefegte Landstriche drohen vor allem in den ostdeutschen Bundesländern - aber nicht nur.
Dies geht aus am Donnerstag vorgestellten Berechnungen des Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Sachsen-Anhalt und Thüringen trifft es demnach besonders hart.
Schlimmstenfalls könnte dort bis zum Jahr 2030 jede fünfte Wohnung nicht mehr gebraucht werden. Aber auch Regionen im Westen und Süden Deutschlands sind betroffen. Als Beispiel nennt das IW das niedersächsische Goslar oder Wunsiedel in Bayern.
Besonders stark steigen würde die Nachfrage hingegen im Speckgürtel von München. Dort liegen alle vier Kreise mit dem größten Potenzial. Spitzenreiter wäre der Landkreis Erding mit bis zu 35,3 Prozent mehr Nachfrage als 2012. Ausreißer unter den ersten Plätzen, die nach Bayern gehen, ist allein Potsdam. Dort wird ein Plus zwischen 12 und 31 Prozent prognostiziert.
„Die Entwicklung hängt stark von den zukünftigen Wohnungsgrößen ab und wie stark die Bevölkerung in Deutschland sinkt“, sagte Ralph Henger, Immobilienökonom beim IW. Wenn Zuwanderung und Geburtenrate dauerhaft höher und die Wohnungen größer werden, könnte die Nachfrage nach Wohnraum insgesamt noch bis 2045 steigen - im günstigen Fall bis zu 20 Prozent. Spätestens dann wäre der Gipfel überschritten.
In den vergangenen zehn Jahren hat die durchschnittliche Wohnungsgröße zugenommen. Ginge das so weiter, würde die Nachfrage nach Wohnungen nur in 38 von 402 Landkreisen und kreisfreien Städte zurückgehen. Bleiben die Wohnungen so groß wie jetzt, trifft es sechs Mal so viele: 240 Kreise. Für die Experten ist das das realistischere Szenario.
Doch egal welches Szenario - der Sog der Großstädte hält nach IW-Annahmen in jedem Fall an. Acht der zehn größten deutschen Städte - Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart und Bremen - wachsen der Prognose zufolge weiter. Dortmund und Essen würden dagegen im ungünstigsten Fall schrumpfen.
In den meisten Großstädten werden hohe Mieten und lange Schlangen bei der Wohnungssuche also ein Problem bleiben. Doch dies betrifft laut IW derzeit nur etwa 15 der 80 Millionen Menschen in Deutschland.
Die Städte stünden langfristig vor ganz anderen Problemen, sagte Michael Voigtländer, Leiter des IW-Kompetenzfeld Immobilienökonomik. Leerstände führten dazu, dass die Infrastruktur vieler Städte und ländlicher Gemeinden zu groß werde. Müll oder Abwasser würden dann pro Kopf teurer.
Doch noch sei Zeit, sich auf diese Herausforderung einzustellen, sagte Voigtländer. Es dürfe keine „löchrigen Städte“ geben. In schrumpfenden Städten müsse man deshalb die Innenstädte wiederbeleben und Leerstände nutzen, statt neue Bauflächen auszuweisen. So könnten Zersiedelung und verwahrloste Stadtviertel verhindert werden.