WM-Held Dennis Endras: Neuanfang als Nobody

Boston (dpa) - Im Mai 2010 erlebte Dennis Endras einen kometenhaften Aufstieg. Bei der Eishockey-WM im eigenen Land wurde der deutsche Nationaltorwart zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt. Jetzt versucht er, seine Qualitäten in Nordamerika zu beweisen.

In Deutschland gilt er als Eishockey-Titan, in Nordamerika ist Dennis Endras noch ein Nobody. Der Nationaltorwart, der sich mit großartigen Leistungen bei der Heim-WM im Vorjahr in die Notizblöcke der Scouts aus der Profiliga NHL spielte, ist inzwischen in der rauen Realität des amerikanischen Alltags angekommen.

Die bislang klare Nummer eins im deutschen Tor fehlt diesmal beim Deutschland Cup in München. Endras wechselte im Sommer hoffnungsvoll von den Augsburger Panthern zu den Minnesota Wild in die NHL, wurde jedoch direkt zum Farmteam Houston Aeros in die American Hockey-League (AHL) geschickt. In Texas arbeitet Endras daran, sich einen Namen in Nordamerika zu machen. „Auf dem Eis ist halt ein harter Kampf, jeder will spielen. Da muss man sich jeden Tag aufs Neue beweisen“, sagte der 26-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.

Für den neuen Nationalcoach Jakob Kölliker ist die Ochsentour kein Problem. „Kommt er dort auf seine Einsätze und bringt seine Leistung, ist das kein Nachteil für die Nationalmannschaft“, sagte der Schweizer, der Endras genau beobachten will. Laut Kölliker entscheidet sich nun, wie stark Endras wirklich ist. „Ein oder zwei Jahre muss man da durch. Dann kommt es darauf an, wie ehrgeizig der Spieler ist“, sagte der ehemalige Verteidiger.

Endras spricht von einem harten, steinigen Weg. Der MVP-Titel ist eher Ballast als Bonus, „weil die Erwartungen einfach größer sind“. Doch in Nordamerika ist der Deutsche trotz aller Vorschusslorbeeren nur einer von vielen. Zwischen Washington und Vancouver gibt es unzählige starke Torhüter - aber bei den 30 NHL-Clubs ist nur für 60 von ihnen Platz. „Die bringen hier halt die Top-Torhüter der Welt her“, sagte Thomas Greiss (San Jose). Auch der ehemalige Kölner Keeper hat ebenso wie die Superstars Christian Ehrhoff oder Marcel Goc seine NHL-Karriere in der AHL begonnen.

Den Gang ins Unterhaus empfand keiner von ihnen als Abschiebung. In Deutschland hingegen, so Endras, würden viele denken, dass die AHL keine gute Liga sei. „Wenn man nach Nordamerika wechselt, erwartet jeder, dass man es in die NHL schafft. Aber man muss sich erstmal in der AHL beweisen.“ Selbst Stanley-Cup-Sieger Dennis Seidenberg von den Boston Bruins hat seine Lehrjahre im Farmteam hinter sich.

In Houston arbeiten täglich drei Trainer mit Endras. Mittlerweile hat er sich an die kleinere Eisfläche, das schnellere Spiel und die anderen Schusswinkel gewöhnt und festgestellt, dass es vor dem Tor robuster zur Sache geht. Eine echte Nummer eins gibt es bei den Aeros nicht. Trainer John Torchetti lässt Endras und den etablierten Matt Hackett abwechselnd ran. Auch das ist neu für den WM-Held.

Endras' Vertrag endet im Juni. Was dann kommt, beschäftigt ihn derzeit nicht. Nur eines ist ihm klar: „Wer nicht an sich glaubt, der schafft es hier nie.“ Privat fühlen sich Endras und seine Freundin Lisa in der neuen Heimat trotz der einstweiligen Degradierung sehr wohl. Houston gilt zwar nicht als Eishockey-Hochburg, aber Stimmung herrsche bei den Heimspielen vor bis zu 7000 Zuschauern trotzdem. Dass die Temperaturen derzeit noch 25 Grad betragen, sieht er als netten Nebeneffekt. Allerdings, so der Bayer, sei es „scho a bisserl komisch“, in Flip-Flops zum Training zu fahren.