Aufbereitete Autoreifen: Runde Sache oder Risiko?
Stuttgart/Bonn (dpa/tmn) - Sie begegnen einem in Baumärkten oder großen Supermärkten. Und die Schnäppchenpreise bringen manch einen Autobesitzer ins Grübeln: Taugen runderneuerte Reifen was?
Pauschal lässt sich das nicht beantworten, sagt Thomas Caasmann von der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ). Die Recycling-Reifen unterliegen gesetzlichen Vorgaben und müssen einen international gültigen Mindeststandard erfüllen. Aber: „Es ist zum Beispiel nicht ersichtlich, wie es um die Karkasse unter dem aufbereiteten Gummi bestellt ist“, so der Experte.
Leicht erkennen lässt sich, ob ein Reifen aufbereitet wurde und die Anforderungen für den Verkauf erfüllt: Auf der Flanke stehen die ECE-Nummern 108 bei Auto- und 109 bei Lkw-Reifen für die Genehmigung, der Code für das Zulassungsland - „E1“ im Falle von Deutschland -, der Vermerk „runderneuert“ beziehungsweise „retread“ sowie das Datum der Runderneuerung, erläutert der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV). Dazu kommen die üblichen Kürzel für Reifengröße, Geschwindigkeitsklasse und Lastindex.
Bei der Runderneuerung wird nur der Laufstreifen, also das Profil eines Reifens, ersetzt, wie der BRV weiter erklärt. Dazu wird die alte Gummischicht maschinell entfernt und eine neue Rohgummimischung aufgebracht, die unter Hitze und Druck ihr neues Profil erhält. Die Aufbereiter in Deutschland verwenden den Angaben nach ausschließlich Karkassen namhafter Reifenhersteller, deren Alter und Beschaffenheit den internationalen ECE-Richtlinien für Kraftfahrzeuge entspricht. Im Gegensatz zu Lkw-Pneus werden Autoreifen nur einmal runderneuert.
Das Problem liegt unter dem Gummi: „Man kann nicht sagen, was man für eine Karkasse bekommt und wie viele Kilometer und Bordsteinkanten diese schon auf dem Buckel hat“, gibt Caasmann zu bedenken. „Mit vier runderneuerten Reifen können theoretisch vier unterschiedliche Karkassen von vier Herstellern an einem Auto montiert werden.“ Mögliche Folge: Durch die unterschiedliche Steifigkeit der Karkassen kann sich das Fahrverhalten des Wagens ändern.
Bei den Kfz-Hauptuntersuchungen stellt die GTÜ bei runderneuerten Reifen nur sporadisch Mängel wie etwa das Ablösen der Lauffläche fest. „Sie sind nicht auffälliger als Neureifen“, sagt Caasmann. Aber irgendwo müssen Verbraucher natürlich Abstriche machen, wenn sie sich für aufbereitete Gummis statt aktueller und fabrikneuer Premium-Pneus entscheiden, die schnell mal die Hälfte mehr kosten. „Im Grenzbereich werden runderneuerte Reifen nie deren Qualitäten hinsichtlich Kurvengeschwindigkeit, Brems-, Anfahr- und Aquaplaning-Verhalten erreichen“, so der GTÜ-Experte. Weiterer Nachteil: Runderneuerte gibt es längst nicht in allen Größen, sondern nur in den gängigsten.
Aus ökologischer Sicht spricht wiederum einiges für die recycelten Reifen: Für die Produktion eines Neureifens sind laut BRV fast 30 Liter Erdöl nötig, bei der Runderneuerung braucht man ein Fünftel weniger. Und die Wiederverwendung der Karkasse spart im Vergleich zur Neureifenherstellung 70 Prozent Energie. „Unter Umweltaspekten super - aber schlecht für Verbraucher ist, dass runderneuerte Reifen nicht unter die Kennzeichnungspflicht mit dem EU-Label fallen“, kritisiert Alexander Ahrens, Berater beim Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Dem Verbraucher bleiben also Infos zu Nasshaftungseigenschaften, Abrollgeräuschen und Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch vorenthalten. Unter dem Strich können aufbereitete Reifen Ahrens nicht überzeugen - wegen ihrer Schwächen bei der Fahrsicherheit: „Die sind deshalb höchstens etwas für Leute, die sehr wenig fahren.“
GTÜ-Mitarbeiter Caasmann empfiehlt: „Wenn es schon Autoreifen im untersten Preisbereich sein sollen oder müssen, greifen Sie lieber zu runderneuerten Modellen nach ECE-Vorgaben von Qualitätsbetrieben als zu billigen No-Name-Produkten aus Asien.“ Das Preisniveau ist zwar vergleichbar, die Qualität aber nicht, heißt es beim BRV. Wie Neuware haben Runderneuerte zwei Jahre Garantie. Und die Aufbereiter nutzen laut Caasmann gerne ältere bewährte Reifenprofile von Premium-Marken.
Wer mit runderneuerten Reifen hadert, für aktuelle Premium-Modelle aber kein Geld hat, kann noch einen Kompromiss eingehen, schlägt GTÜ-Sprecher Jürgen Götz vor: „Schauen Sie sich im Reifenfachhandel nach zwei, drei Jahre alten Modellen aus Restbeständen um. Auf die alte Ware, die ja nicht schlecht ist, geben die Händler oft hohe Rabatte.“ In Sachen Preis-Leistung fährt man so laut Götz mit etwas Glück besser als mit runderneuerten Gummis.