Auto Marke Eigenbau: Teurer Spaß für Hobbyschrauber
Mainz/Detroit (dpa/tmn) - Kennen Sie noch Kitcars? Im vergangenen Jahrhundert waren die Autos zum Selberbasteln sehr gefragt. Vereinzelt bekommt man heute noch Bausätze. Hobbyschrauber müssen sich bei der Zulassung aber auf eine saftige Rechnung gefasst machen.
Deutschland ist das Land der Selbermacher: Es gibt beinahe so viele Baumärkte wie Bäckereien, könnte man meinen. Schränke und Küchen schraubt man gefälligst selbst zusammen. Und sogar vor Klempner- oder Elektroarbeiten schrecken manche nicht zurück. Nur vom Auto lassen die meisten brav die Finger. Klar gibt es viele Autofahrer, die selbst die Reifen wechseln, mal das Öl nachschauen oder kleinere Verschleißreparaturen ausführen. Aber ein ganzes Auto in Eigenregie zu bauen, kommt kaum jemandem mehr in den Sinn.
„Dabei hat das schon bald 100 Jahre Tradition“, sagt der Mainzer Autodesigner Bernd Michalak und erinnert an die Blütezeit der sogenannten Kitcars - der vorgefertigten Autobausätze. „Die Idee stammt aus Großbritannien und ist einem Steuerschlupfloch zu verdanken“, erläutert Michalak. Denn während dort beim Kauf eines fertigen Neuwagens die hohe „Purchase Tax“ (Verkaufssteuer) berechnet wurde, gab es die Einzelteile quasi steuerfrei. Viele Autofahrer in England haben ihren Wagen deshalb früher selbst zusammengeschraubt. Mehr als 300 Hersteller boten laut Michalak Bausätze an.
Viele davon waren auch in Deutschland zu haben - und sind es zum Teil noch heute. Vor allem Sportwagenklassiker wie die unzähligen Neuinterpretation des Lotus Seven kann man daheim in der Garage montieren. Für die Zulassung solcher Kitcars sei allerdings meist eine kostspielige Einzelabnahme nötig, erklärt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenorganisation KÜS. Seit etwa zwei Jahren gebe es zwar eine Neuregelung, die den Aufwand für die Einzelabnahme der Bausatzautos europäischer Hersteller in Deutschland verringern kann. Entscheidend dafür ist laut Marmit, welche Genehmigungen und technischen Dokumentationen die Anbieter für verschiedene Ausbaustufen ihrer Kitcars mitliefern. In jedem Fall komme für die Zulassung aber schnell eine vierstellige Summe zusammen. „Und wenn es dumm läuft, wird die Rechnung sogar fünfstellig“, so Marmit.
Viele Hersteller und Händler haben darauf reagiert und den Verkauf von Kitcars eingestellt. „Wir verkaufen jetzt nur noch fertige Fahrzeuge“, sagt etwa Robert Burkhardt von der RCB-Fahrzeug GmbH, der einen selbst entwickelten Hardcore-Roadster im Stil des Lotus Super Seven im Programm hat. Gab es den Bausatz seiner Internetseite zufolge zuletzt für Preise ab 39 900 Euro, muss man für das fertige Fahrzeug einen Aufschlag von etwa zehn Prozent einkalkulieren.
Auch Caterham, eine weitere Marke in der Tradition des Lotus Super Seven, verkauft in Deutschland fast nur noch fertige Fahrzeuge zu Preisen zwischen 30 000 und 60 000 Euro. Auf Wunsch liefert Importeur Kurt Hoffmann aus Neuwied aber noch immer Bausätze aus, die rund 3000 Euro weniger kosten als die fertigen Autos. Dann braucht man handwerkliches Geschick und gut 100 Stunden Freizeit für die Montage, sagt Hoffmann. „Und eine Einzelzulassung ist unumgänglich.“ Es sei denn, man will mit dem Wagen nur über abgesperrte Strecken düsen.
Dass Kitcars nicht immer retro sein müssen und an den Lotus Super Seven, an die AC Cobra oder den Ford GT40 erinnern, beweist der Designer Michalak mit seinem C7. Der moderne Roadster basiert technisch auf dem Smart. Angesichts der boomenden Baumärkte und Möbelhäuser erschien Michalak „die Zeit reif für ein neues Auto, das man selbst zusammenbauen kann“, umreißt er die Entstehungsgeschichte des Zweisitzers. Der Roadster, von dem hierzulande bislang knapp 30 Exemplare verkauft wurden, kostet rund 15 000 Euro. Die Montage lässt sich in wenigen Wochen bewerkstelligen, sagt Michalak. Dafür seien weder Schweißgerät noch Hebebühne erforderlich: „Wer mit Schrauben und Schlüsseln umgehen kann, wird mit dem C7 keine Mühe haben.“
Die Großserienhersteller lassen von Bastelautos tunlichst die Finger: Eine geführte Werksbesichtigung ist für sie in der Regel die größtmögliche Annäherung zwischen Kunde und Produktion. Nur Chevrolet macht eine Ausnahme und bietet seiner Kundschaft neuerdings die Möglichkeit zum Mitmachen: „Engine Build Experience“ heißt das Programm, das für Käufer besonders starker Varianten des Sportwagens Corvette aufgelegt wurde. „Wer eine Corvette Grand Sport, eine Z06 oder eine ZR1 kauft, kann seinen Motor bei uns selber zusammenbauen“, sagt Carl Pickelman. Er leitet das „Performace Build Center“ in Wixom bei Detroit. Der Spaß kostet für Europäer inklusive Flug und Übernachtung rund 6000 Euro extra.
Pickelman schwärmt von einem gewaltigen PS-Puzzle, bei dem in etwa fünf Stunden aus rund 100 Einzelteilen und 250 Schrauben ein voll funktionsfähiger Achtzylinder entsteht. Natürlich unter Anleitung eines Profis. Einer davon ist Rick McBride, dem seine neue Rolle als Motor-Mentor ziemlich gut gefällt: „Wenn man schon 4000 Achtzylinder zusammengeschraubt hat, ist man für Abwechslung dankbar.“