Autokauf mit Augenmaß: Auf Gesamtkosten schauen
München (dpa/tmn) - Ist das Auto wirklich billig? Wer beim Kauf nicht richtig nachrechnet, macht womöglich ein schlechtes Geschäft. Denn der Preis eines Wagens hat nichts mit den Gesamtbetriebskosten zu tun - und die sind oft höher als gedacht.
„3000 Euro Rabatt, und das nach nur fünf Minuten Verhandlung“ - eine Lehrerin aus Hessen kann ihr Glück kaum fassen. Bestens gelaunt fährt sie mit einem neuen Mittelklasse-Kombi vom Hof des Autohändlers. Aber hat sie wirklich ein gutes Geschäft gemacht?
„Das hängt nicht allein vom Kaufpreis ab“, sagt Ralf Mühlbichler. „Viele vergessen bei der Suche nach dem billigsten Auto, dass nicht nur der Händler die Hand aufhält, sondern während des Autolebens noch viel mehr Kosten auflaufen.“ Mühlbichler arbeitet für den Marktanalysten Audacon in Weikersheim. Die Firma ermittelt zum Beispiel für Flottenmanager und Fuhrparkbetreiber die Betriebs- und Unterhaltskosten aller gängigen Fahrzeugmodelle.
Obwohl die Werbung immer neue Schnäppchen suggeriert und die Hersteller mit zum Teil großen Rabatten um Kunden werben, müssen Autofahrer oft tiefer in die Tasche greifen als sie vermuten: „Die Betriebskosten bewegen sich wie so viele andere Ausgaben konstant nach oben“, hat Mühlbichler beobachtet. Genau ablesen lässt sich das am Autokosten-Index von ADAC und Statistischem Bundesamt.
Nach Angaben des Automobilclubs in München sind die Kosten für Anschaffung und Unterhalt von Autos 2010 um durchschnittlich 3,7 Prozent gestiegen. „Damit sind die Autokosten den allgemeinen Lebenshaltungskosten regelrecht davon gelaufen“, sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel. „Deren Teuerungsrate lag 2010 nur bei 1,1 Prozent.“ Ursache dafür sind dem ADAC zufolge nicht die Anschaffungskosten für Fahrzeuge: Sie stiegen nur um 0,3 Prozent. Was den Index in die Höhe trieb, waren die Spritpreise (plus 12,4 Prozent), die Preise für Ersatzteile (plus 2,1 Prozent) und Reparaturen (plus 1,1 Prozent).
All das summiert sich zu den „Total Costs of Ownership“, also zu den Gesamtbetriebskosten, erklärt Nick Margetts vom Marktbeobachter Jato Dynamics. Er beziffert den Bundesdurchschnitt auf 49 Cent pro Kilometer. Daran mache zwar die Differenz aus Kaufpreis und Wiederverkaufswert eines Wagens den mit 49 Prozent größten Teil aus. Doch enthält die Musterkalkulation für einen geleasten oder finanzierten Wagen mit 75 000 Kilometer Laufleistung in drei Jahren noch viele weitere Posten: 19 Prozent für den Kraftstoff, 9 Prozent für die Versicherung und 5 Prozent für Wartung und Verschleißteile. Hinzu kommen 13 Prozent für Zinsen und Verwaltungsgebühren, 1 Prozent für die Kfz-Steuer und 4 Prozent für die Reifen.
Wer sich für ein neues Auto interessiert, ist deshalb gut beraten, nicht allein auf den Kaufpreis zu schauen. „Die Betriebskosten sollten immer im Blick sein, nur hier kann der Autofahrer seine Bilanz positiv beeinflussen“, sagt Mühlbichler und rät: „Vergleichen Sie auch die Verbrauchswerte, die Kfz-Steuer und die Versicherungseinstufung. Und schauen Sie auf die Wartungsintervalle.“ Diese geben vor, wann und wie oft ein Auto in die Werkstatt muss, damit es die Garantie nicht verliert. Laut Mühlbichler ist das Studium dieser Fristen bei Gebrauchtwagen besonders wichtig: „Viele teure Standardreparaturen wie der Austausch eines Zahnriemens werden heute so spät fällig, dass sie erst den Zweit- oder Drittbesitzer treffen.“ Wer ehrlich nachrechnet, müsse deshalb auf den Kaufpreis oft noch zwei oder drei Tausender draufschlagen.
Die Autohersteller brüsten sich gerne mit sinkenden Betriebskosten und begründen das mit verlängerten Intervallen - etwa für den Ölwechsel. Der Audacon-Experte nennt solche Aussagen Augenwischerei: „Dafür schreiben sie dann ein höherwertiges Öl vor. Unter dem Strich kann es passieren, dass man dann genauso viel oder sogar mehr zahlt.“ Sparen ohne Schliche könne man dagegen bei der Versicherung. Wenn die Ingenieure reparaturfreundliche Konstruktionen entwickeln, müssen die Versicherungen bei Schäden weniger bezahlen und honorieren das mit günstigeren Kasko-Klassen. Außerdem habe man natürlich mit seinem Gasfuß Einfluss auf den Spritverbrauch und so auf die Betriebskosten.
Bei aller Kostenkontrolle darf aber nicht am falschen Ende gespart werden: „Auswertungen von Herstellern und Prüforganisationen zeigen, dass der kostenbewusste Fahrzeugnutzer häufig die Wartungsintervalle streckt oder ganz darauf verzichtet“, sagt Mühlbichler. Er warnt vor einer Milchmädchenrechnung: „Man spart jetzt und legt dafür später drauf. Denn je älter ein schlecht gewartetes Fahrzeug wird, desto höher werden die Unterhaltskosten.“
Dabei geht es nicht allein ums Geld, sondern in erster Linie um die Sicherheit, erklären Prüforganisationen wie die GTÜ. Ihrem aktuellen Mängelreport zufolge erhielten im vergangenen Jahr 18,8 Prozent aller zur Hauptuntersuchung vorgeführten Autos wegen erheblicher Mängel bis hin zur Verkehrsunsicherheit keine Plakette. Das sei der höchste Wert seit 1998 und der Beleg für eine riskante Entwicklung: Viele Autofahrer sparen an notwendigen Reparaturen und regelmäßigem Service - und gehen damit ein erhöhtes Unfallrisiko ein.