Das Punktekonto: Einblick in die Verkehrssünderkartei

Flensburg (dpa/tmn) - Bei vielen Verkehrsdelikten drohen Punkte auf dem Flensburger Konto. Nun soll die Verkehrssünderkartei reformiert werden. Viele Autofahrer kennen aber nicht mal die Feinheiten des aktuellen Punktesystems.

Doch das kann sich lohnen.

Nur echte Raser aus der Kategorie „Tempo 100 vor dem Kindergarten“ haben ein prall gefülltes Punktekonto in Flensburg. Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Auch viele andere Verkehrssünden können den Punktestand in die Höhe treiben, vor allem bei Wiederholungstaten. Damit es nicht irgendwann ein böses Erwachen inklusive Führerscheinentzug und einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) - auch als „Idiotentest“ bekannt - gibt, sollte jeder Autofahrer zumindest einige der Regeln rund um Verkehrsregister und Bußgeldkatalog kennen.

Bis zum Jahr 2012 soll eine Reform der Verkehrssünderkartei unter anderem Änderungen bei der Einstufung einzelner Delikte bringen: „Das Punktesystem soll einfacher, transparenter und verhältnismäßiger werden“, erklärte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Freitag (29. April) in Berlin. Bis diese Reform in Kraft tritt, gelten die aktuellen Regeln für das Flensburger Konto - und die sehen so aus:

Mit diesem „Flensburg“, von dem häufig die Rede ist, ist das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit Hauptsitz in der Ostseestadt gemeint, das das Verkehrszentralregister verwaltet. „Für jedes Verkehrsdelikt mit einem Bußgeld von 40 Euro oder mehr gibt es einen Eintrag im Register“, erklärt KBA-Sprecher Stephan Immen. Ein direkter Zusammenhang zwischen Punktzahl und Bußgeldhöhe - nach dem Motto: 80 Euro gleich 2 Punkte - besteht aber nicht. Wer zum Beispiel bei Nebel ohne Licht fährt, zahlt 40 Euro und bekommt 3 Punkte. Wer sich dagegen nicht an die Kindersitzpflicht hält, muss ebenfalls 40 Euro bezahlen, erhält aber nur 1 Punkt.

Vielen sei nicht klar, dass zum Beispiel auch falsches Parken mit bis zu 50 Euro und 1 Punkt geahndet werden könne, wenn dadurch Rettungsfahrzeuge behindert werden, sagt Katharina Bauer vom ADAC. Generell gebe es im Bereich der Verkehrsdelikte viel gefährliches Halbwissen: So sei die Promillegrenze von 0,5 den meisten bekannt. Nur wenige denken aber daran, dass auch bei geringeren Promillewerten auffälliges Fahrverhalten als Trunkenheitsfahrt gewertet und entsprechend bestraft wird.

Der Punktekatalog des KBA ist im Internet abrufbar. Dort findet sich auch ein Formular, mit dem Neugierige eine Auskunft über ihren Kontostand beantragen können. In naher Zukunft soll die Zahl der Punkte auf der Seite des KBA außerdem direkt mit dem elektronischen Personalausweis abrufbar sein. Das hatte ein Sprecher von Verkehrsminister Ramsauer angekündigt.

Wer 8 oder mehr Zähler gesammelt hat, erfährt das automatisch: Dann gibt es eine erste Verwarnung der Behörde. Abbauen lassen sich Punkte durch ein freiwilliges Aufbauseminar bei einer örtlichen Fahrschule. Ein solcher Kursus entlastet das Konto um bis zu 4 Punkte, er kann aber nur einmal alle fünf Jahre besucht werden. Wer 14 oder mehr Punkte gesammelt hat, wird zum Aufbauseminar verpflichtet.

Die andere, deutlich günstigere Methode zum Punkteabbau ist regelgerechtes Fahren. „Einträge im Verkehrszentralregister werden nach zwei Jahren gestrichen“, erklärt Stephan Immen. „Voraussetzung ist aber, dass es in dieser Zeit keinen weiteren Eintrag gab.“ Wer also jedes Jahr einmal beim Rasen oder einer anderem Delikt erwischt wird, schleppt unter Umständen auch noch die Verkehrssünden von vor zehn Jahren mit sich herum.

Ab 18 Punkten gibt es vor einem Fahrverbot kein Entrinnen mehr: Automatisch wird dann die Fahrerlaubnis entzogen. Betroffene Verkehrssünder müssen mindestens sechs Monate auf ihren Führerschein verzichten. Um die Lizenz zurückzubekommen, ist in der Regel eine MPU erforderlich. Für besonders schwere Delikte wie Unfallflucht oder Fahrten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss kann die Fahrerlaubnis auch schon eher einkassiert werden.

Spätestens jetzt kann sich rechtlicher Widerstand lohnen, sagt Jörg Elsner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht beim Deutschen Anwaltverein: „Der Entzug der Fahrerlaubnis ist ein gewichtiger Eingriff in die Bürgerrechte. Geschieht das zu Unrecht, sollte man sich das auf keinen Fall gefallen lassen.“ Aber auch bei tatsächlichen Vergehen lassen die Gerichte manchmal Gnade walten - zum Beispiel bei Erstverstößen oder wenn ohne Führerschein das berufliche Aus droht.

„Die Gerichte und Behörden haben einen gewissen Spielraum“, erläutert Elsner. Wer aus Versehen über eine rote Ampel fährt, weil es auf der Nebenspur schon losgeht, habe durchaus eine Chance, nicht den vollen Bußgeldsatz bezahlen zu müssen. Andererseits können Wiederholungstäter empfindlicher zur Kasse gebeten werden als Ersttäter. Einzig auf die Punkte haben Behörden und Gerichte keinen Einfluss: Die gibt es auf jeden Fall und ohne Abzüge.

Elsner rät aber, nicht wegen jeder Kleinigkeit vor Gericht zu ziehen: „Wegen Bußgeldern unter 35 Euro würde ich mich nie mit Polizisten streiten. Auch beim Falschparken lohnt sich ein Rechtsstreit nicht.“ Für einen Anwalt können in solchen Fällen ohne Rechtsschutzversicherung schnell bis zu 800 Euro fällig werden.