Der V12-Motor trotzt dem Downsizing-Trend
Aachen/Stuttgart (dpa/tmn) - Der Zwölfzylinder gilt als die Krönung des Motorenbaus. Obwohl alle Welt nach möglichst kleinen Antrieben schreit, scheint die Zukunft der dicken Aggregate gesichert. Ein Blick in die Entwicklungsstuben und manch neues Modell bestätigt das.
Diese Wette machen sie gerne in den Entwicklungsabteilung: Eine Münze auf einen Motor stellen und darauf setzen, dass sie beim Anlassen umfällt. Vorher sollten die Ingenieure aber aufs Typenschild schauen. Handelt es sich um einen Zwölfzylinder, haben sie die Wette wahrscheinlich schon verloren. „Denn kein anderer Motor erreicht solch eine Laufruhe“, sagt Stefan Pischinger. Die Vibrationsarmut habe ihre Gründe im vollkommenen Massenausgleich und der hohen Zündfrequenz. Der V12-Motor sei deshalb die „Krönung des Motorenbaus“, sagt der Professor vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen an der RWTH Aachen.
Derzeit folgen alle Hersteller dem Downsizing-Trend: Sie sparen an Hubraum und Zylindern und müssen dank Aufladung und Direkteinspritzung dennoch keine nennenswerte Leistungseinbußen hinnehmen. Und doch halten sich die vergleichsweise altmodischen Zwölfzylindermotoren. Wenn BMW dieser Tage den überarbeiteten 7er bringt, gibt es ihn nach Werksangaben weiterhin als 760i mit einem 400 kW/544 PS starken V12-Motor. Ein anderes Beispiel ist der Rolls-Royce Phantom, der auch nach der Modellpflege in diesem Frühjahr grundsätzlich mit Zwölfzylinder fährt. Das Aggregat kommt bei 6,75 Litern Hubraum auf 338 kW/460 PS.
Auch in Ingolstadt sieht man keinen Widerspruch zum Downsizing: Audi verkauft den A8 mit einem in W-Form gebauten Zwölfzylinder mit 368 kW/500 PS, der modifiziert auch bei der Schwestermarke Bentley zum Einsatz kommt. Und ein V12-Motor wird wohl auch wieder für die nächste Generation der S-Klasse von Mercedes zur Verfügung stehen, die der Konzern für kommendes Jahr angekündigt hat. Bis es soweit ist, bauen die Schwaben einen Zwölfzylinder erstmals in der G-Klasse ein. Es soll der weltweit einzige Geländewagen mit V12-Motor sein.
Nicht nur in Luxusfahrzeugen kommt der Zwölfzylinder zum Einsatz - auch bei Supersportwagen ist er erste Wahl: Lamborghini hat seinen V12 vor Jahresfrist für den Aventador überarbeitet und auf 525 kW/700 PS gebracht. Den neuen Ferrari F12 Berlinetta macht ein 6,3 Liter großer Zwölfzylinder mit 544 kW/740 PS zum stärksten Serienmodell in der Firmengeschichte. Und wenn Aston Martin im Herbst den DBS-Nachfolger Vanquish bringt, setzt auch er auf das feine Dutzend unter der Haube. Im Briten leistet der Sechsliter 421 kW/573 PS.
Um die Zukunft des Zwölfzylinders muss sich allen CO2-Vorgaben zum Trotz offenbar niemand Sorgen machen. „Wir tun alles dafür, dass dieses Konzept noch eine lange Zukunft hat“, verspricht der scheidende Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer, der zu Audi wechselt und dort Chef-Entwickler wird. Er hat zum Ende seiner Amtszeit den Bentley Continental GT Speed präsentiert, dessen Zwölfzylinder auf 460 kW/625 PS kommt und das Coupé mit 329 km/h zum schnellsten Serienmodell in der Firmengeschichte macht.
Offenbar lag Dürheimer der dicke Motor am Herzen: Der Manager hat den Bentley-Sitz in Crewe innerhalb des VW-Konzerns zum sogenannten Center of Excellence für den Zwölfzylindermotoren gemacht. Dort soll die Tradition dieser Bauart gepflegt werden. Auch Mercedes hat die Zukunft des V12-Motors offenbar gesichert und damit den sportlichen Ableger AMG betraut. „Künftig bauen wir die V12-Motoren für die gesamte Marke“, bestätigte AMG-Chef Ola Källenius in Affalterbach.
Universitätswissenschaftler Pischinger hält das V12-Prinzip ebenfalls für zukunftsfähig - etwa als Spielwiese für das technisch Machbare: Gerade bei Motoren mit vielen Zylindern ließen sich Maßnahmen wie die Zylinderabschaltung zum Spritsparen oder die Hybridisierung des Antriebsstranges in idealer Weise miteinander kombinieren, ohne dass der Komfort auf der Strecke bleibe. So könnten selbst bei großen Luxuslimousinen und potenten Sportwagen deutliche Verbrauchseinsparungen erzielt werden.
Dass der Motor dem Downsizing und den Verbrauchsdiskussionen zum Opfer falle, hält Pischinger für wenig wahrscheinlich. Die kleine Zielgruppe wachse sogar. Angst um das Klima müsse man deshalb aber nicht haben: „Die Stückzahlen sind so klein, dass man den Anteil dieser Motoren an der CO2-Bilanz vernachlässigen kann.“