Der Verkehrsgerichtstag wird 50

Goslar (dpa) - Herabsetzung der Promillegrenze, Handyverbot am Steuer, Bußgeldkatalog oder Führerschein mit 17: Diese und andere Neuregelungen im Straßenverkehr hat der Verkehrsgerichtstag angestoßen.

Jetzt kommen die Experten zum 50. Mal zusammen.

In der Zeit des Wirtschaftswunders nahm die Motorisierung und mit ihr die Zahl der schweren Verkehrsunfälle in der Bundesrepublik stetig zu. 1962 starben auf den Straßen mehr als 16 000 Menschen, rund viermal so viele wie im vergangenen Jahr. Dabei waren vor 50 Jahren nur sieben Millionen und nicht wie heute 40 Millionen Kraftfahrzeuge unterwegs. Eine der wesentlichen Ursachen für die vielen Unfalltoten damals waren betrunkene Fahrer. Denn strafrechtliche Folgen drohten erst ab 1,5 Promille.

Weil sie dies ändern und auch eine Reform der veralteten Straßenverkehrsordnung von 1934 herbeiführen wollten, gründeten Juristen, Beamte und Journalisten den Verein „Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaften“, der Ende Januar 1963 in Goslar den ersten Verkehrsgerichtstag (VGT) ausrichtete. 200 Teilnehmer befassten sich damals unter anderem mit dem Rechtsüberholen und Strafen für Verkehrssünder.

In der kommenden Woche feiert die Institution Jubiläum: Zum 50. Verkehrsgerichtstag (25. bis 27. Januar) wollen Juristen, Wissenschaftler und Experten von Verbänden, Automobilclubs, Ministerien und Behörden unter anderem über die Ansprüche naher Angehöriger von Unfallopfern, die Auswirkungen von Krankheiten auf die Fahreignung sowie über den Boom bei Fahrrädern mit Elektroantrieb diskutieren und anschließend Empfehlungen für den Gesetzgeber erarbeiten.

Zu den wichtigsten Anstößen, die der VGT in seiner Geschichte gegeben hat, gehöre die Herabsetzung der Promillegrenze, sagt der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm. „Die Rechtsprechung hat ursprünglich mit der absoluten Fahruntüchtigkeit bei 1,5 Promille begonnen. Der VGT hat dazu immer wieder Empfehlungen mit dem Ziel der Herabsetzung des Grenzwertes gegeben. Jetzt sind wir bei 0,5 Promille im Recht der Ordnungswidrigkeiten.“

Ein Erfolg sei auch der Führerschein mit 17. „Da hat es zunächst erheblichen Gegenwind gegeben“, sagt der frühere Generalbundesanwalt Nehm. „Aber nach Auswertung der Pilotprojekte hat sich die Maßnahme als wirksames Mittel erwiesen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.“

„Der Gesetzgeber hat viele wichtiger Initiativen aufgegriffen“, sagt auch Markus Schäpe vom ADAC. Dazu gehörten der verbesserte Versicherungsschutz von Kindern nach Unfällen im Straßenverkehr und der bundesweit einheitliche Bußgeldkatalog für Verkehrsdelikte.

Das Erfolgsgeheimnis der Institution liege darin, sehr unterschiedliche Stimmen einzufangen, glaubt Kay Nehm. „Wir stehen nicht auf einer bestimmten Seite, sondern versuchen die divergierenden Auffassungen zu diskutieren und daraus vernünftige Empfehlungen zu erarbeiten“.

Dabei müsse es auch bleiben, sagt der Vorsitzende des Auto Club Europa ACE, Wolfgang Rose, und kritisiert einzelne Versuche großer Lobbyverbände, den VGT in ihrem Sinn zu beeinflussen. „Wenn sich die Vorschläge für den Gesetzgeber aber nicht mehr unterscheiden würden von dem, was etwa die einflussreiche Versicherungswirtschaft oder die organisierte Rechtsanwaltschaft von sich gibt, verlöre der Kongress seinen guten Ruf“, sagt Rose.

Diese Gefahr sieht Nehm nicht. Der VGT werde seine Bedeutung behalten. „Wir sind der einzige Verkehrskongress, der keine reine Interessenvertretung ist, sondern Interessen bündeln und beachtete Empfehlungen zum Verkehrsrecht geben kann.“

An alle Themen traut sich der Verkehrsgerichtstag allerdings nicht heran. Schwierig sei zum Beispiel das Thema Tempolimit, sagt Nehm. „Wenn wir das auf die Tagesordnung setzen, bekommen wir einen Glaubensstreit.“