Die Räder der Tuningszene werden bunter

Essen/Stuttgart (dpa/tmn) - Statt in Silber oder Schwarz liegen schillern Felgen in den Farben des Regenbogens auf dem Kfz-Tuningmarkt voll im Trend. So viel Gestaltungsspielraum haben die Autohersteller selbst nicht: Bei ihnen wird die Form von der Funktion bestimmt.

Was dem Menschen die Schuhe, das sind dem Auto die Räder. Doch wo es am Fuß bisweilen ziemlich bunt zugeht, galt bei den Felgen lange Zeit eine farbliche Monokultur: Silber, Grau und Anthrazit gab es zwar in allen Schattierungen. Aber Farbenfreude war offenbar fehl am Platz. Das ist zumindest bei den Rädern zum Nachrüsten inzwischen geändert. „Der aktuelle Trend bringt Farbe auf die Straße“, sagt Harald Schmidtke vom Verband der Automobil Tuner.

„Multicolor-Räder, Kombinationen mit Pin-Stripes bis hin zum ganz individuellen Farbdesign bestimmen die Saison 2012“, so Schmidtke. Die rund 4,5 Millionen Räder, die hierzulande dem Branchensprecher zufolge pro Jahr bei Autoveredlern, im Fachhandel zum Austausch oder als Ersatz der Serienfelgen gekauft werden, werden immer bunter.

Beispiele dafür findet man viele: Der Hersteller RH etwa bietet sein neues Rad „BZ Agrano“ nicht nur in Silber oder Schwarz an, sondern auch im Farbton Beach Yellow, der jedes Postauto sehr gut schmücken würde. ATS hat neben Silber, Alu und Schwarz mit der Felge „Streetrallye“ ein komplett weißes Rad im Programm, das sich dem Unternehmen zufolge am Mini für den Rallyesport-Einsatz orientiert.

Bei den Schwestermarken Oxigin und Carmani kann man die Felgen nicht nur mit Dekoreinlagen in bis zu acht verschieden Farben von „Blue Polish“ bis „Gold Polish“ bestellen, durch die sich die Preise allerdings ungefähr verdoppeln. Sondern es gibt auch Folien in allen Normtönen (RAL-Töne), mit denen die Innenseiten der Felgen gefärbt werden können, oder auswechselbare Kunststoff-Dekorstreifen, die sich in die Räder klippen lassen.

Die Designer der Automobilhersteller sehen das bunte Treiben auf dem Zubehörmarkt einerseits mit der gebotenen Distanz des guten Geschmacks, sind andererseits aber auch ein wenig neidisch auf die Kollegen: „Bei uns wird die Form vor allem von der Funktion definiert“, erklärt VW-Sprecher Christoph Peine. Bei Messefahrzeugen und Studien dürfen sie sich zwar austoben, und manchmal schaffen es bei Sondermodellen wie dem Fiat 500 by Gucci auch mal ein paar ungewöhnliche, in diesem Fall weiße Felgen ans Auto. Aber bei Serienautos gehen die technischen Eigenschaften vor: „Vor allem die Aerodynamik und der Leichtbau geben hier den Ton an“, sagt Peine.

Aerodynamisch ist eine Felge vor allem dann, wenn sie möglichst wenige Luftverwirbelungen erzeugt und deshalb weitgehend geschlossen ist, erläutert ein Entwickler bei BMW. Allerdings steht dem die optimale Kühlung der Bremsen entgegen. Als Weg aus dieser Zwickmühle haben die Bayern den sogenannten Air-Curtain entwickelt: Durch ein Loch im Stoßfänger wird die Luft so umgeleitet, dass sie wie ein Vorhang vor den Felgen liegt und störende Luftverwirbelungen verhindert. Dadurch lässt sich laut dem Experten von BMW die Aerodynamik soweit verbessern, dass der Kraftstoffverbrauch um ein Prozent sinkt.

Mit Blick auf den Leichtbau in der Serienproduktion verwenden einige Autohersteller inzwischen Hohlspeichenräder, für die weniger Aluminium benötigt wird. Als nächstes zeichnet sich am Horizont die Einführung von Rädern aus Kunststoff ab, wie sie zum Beispiel an der Designstudie Smart Forvision vorgestellt wurden. Die Kunststofffelgen befinden sich bereits auf der Zielgeraden der Serienerprobung. Sie werden in einem automatisierten Spritzgussverfahren hergestellt, könnten viel günstiger angeboten werden als Aluräder und sparen jeweils drei Kilogramm Gewicht ein, erläutert Volker Warzelhan vom Daimler-Entwicklungspartner BASF.

Aerodynamik und Leichtbau - diese Trends dürften wohl länger halten als die neue Farbenpracht an den Felgen. Weil offenbar auch die Zubehörindustrie um die Vergänglichkeit solcher Moden weiß, hat sie bunte Verzierungen im Angebot, die sich rückgängig machen lassen. Der Fahrzeugveredler Foliatec hat dafür eine Felgenfolie aus der Sprühdose entwickelt. Zwei Dosen kosten um die 50 Euro und sollen für alle vier Autoräder reichen. Einmal getrocknet, hält diese Farbschicht auch in der Waschstraße und schützt das Rad, verspricht der Anbieter. Ändert sich der Farbgeschmack des Autobesitzers, lasse sich die Folie mit einem Ratsch wieder abziehen.