Diese Sicherheitsfragen beschäftigen Autotester 2015

Berlin (dpa) - Die Euro-NCAP-Tester verursachen regelmäßig Unfälle - im Dienst der Sicherheit. Damit die Crashtests auf der Höhe der Zeit bleiben, müssen sie regelmäßig überarbeitet werden. Immer wichtiger werden dabei schwächere Verkehrsteilnehmer und Assistenzsysteme.

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Es ist der Griff nach den Sternen. Wann immer Autohersteller neue Modelle entwickeln, bemühen sie sich um bestmögliche Crashsicherheit. Denn die Sterne, die vom European New Car Assessment Programme (Euro NCAP) vergeben werden, spielen für viele Autokäufer eine wichtige Rolle. An dem Konsortium sind Ministerien, Verbraucherschützer und Automobilclubs beteiligt. „Das ist ein Verkaufsargument, und insofern erzeugt Euro NCAP auch einen Druck, dass die Hersteller ihre Autos immer sicherer machen“, erklärt Welf Stankowitz vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Doch die Bewertung durch Euro NCAP ist nicht in Stein gemeißelt.

Mit der Weiterentwicklung der Fahrzeugtechnik und mit der Einführung neuer Sicherheitssysteme wird auch das Testverfahren regelmäßig weiterentwickelt. So wird ab diesem Jahr ein neuer Frontalaufprall mit 50 km/h gegen ein starres Hindernis getestet. „Dabei geht es in erster Linie um die Bewertung der Rückhaltesysteme für die Fahrzeuginsassen“, erläutert Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV).

Eine Anpassung an reale Gegebenheiten findet indessen beim Seitenaufprall mit 50 km/h statt: Hier wird seit diesem Jahr eine fahrbare Barriere verwendet, deren Gewicht auf 1300 Kilo erhöht wurde. „Das ist mit Sicherheit realistischer“, sagt Brockmann, da sie so eher den Masseverhältnissen zwischen Fahrzeugen im Straßenverkehr entspreche. Und wo Euro NCAP Autos bislang mit 29 km/h im Winkel von 90 Grad vor einen Pfahl gefahren hat, sind es nun 75 Grad bei 32 km/h. „Das kann dann auch bedeuten, dass die Hersteller die Struktur ihrer Fahrzeuge entsprechend anpassen müssen“, sagt Brockmann.

Beim Thema Schutz von anderen Verkehrsteilnehmern werden sich in diesem und im kommenden Jahr einige Veränderungen ergeben. „Das ist auch notwendig“, sagt DVR-Mann Stankowitz. „Die Entwicklung der Unfallstatistik ist zwar auch bei Fußgängern und Radfahrern positiv, aber sie hängt den Pkw-Insassen hinterher.“ Wie Brockmann sagt, sind auch die Testverfahren für Fußgänger verbesserungswürdig: „Bisher werden in bestimmten Versuchsaufbauten einzelne 'Körperteile' isoliert getestet. Davon lässt sich aber nur unzureichend auf die Verletzungsgefahr für einen ganzen Menschen schließen.“ Durch einen neuen Prüfkörper soll sich das ändern.

Besonders geeignet, um Unfälle mit schwächeren Verkehrsteilnehmern zu verhindern, sind autonome Bremsassistenten. Sie können Fußgänger erkennen und eine Notbremsung einleiten oder den Fahrer zumindest warnen. Ab 2016 sollen sie laut der „2020 Roadmap“ von Euro NCAP in die Bewertung der Fußgängersicherheit einfließen. Bislang werden derartige Systeme nur im Zusammenhang mit drohenden Kollisionen mit anderen Autos getestet.

Und auch andere Assistenten werden künftig eine größere Rolle bei der Sternenvergabe spielen. Spurhalteassistenten etwa fließen ebenfalls ab 2016 in die Wertung ein. Zudem werden die Anforderungen an Systeme, die schon bewertet werden, aktualisiert. Das betrifft zum Beispiel Tempomaten mit Geschwindigkeitsbegrenzer oder die Verkehrszeichenerkennung. „Nicht alle diese Dinge werden so schnell auch in den kleineren Fahrzeugklassen verfügbar sein“, so Brockmann. Euro NCAP führt deshalb das „Dual Rating“ ein.

Damit haben Hersteller die Möglichkeit, ihre Autos in zwei Varianten testen zu lassen, wodurch ein Modell zwei unterschiedliche Bewertungen tragen kann. Euro NCAP testet dafür ein Basismodell ohne jegliche über den Serienumfang hinausgehende Sicherheitsausstattung und eines mit optionaler Sicherheitsausrüstung. Der Hintergedanke: Bestimmte Systeme sind zu teuer für Basismodelle etwa von Kleinwagen.

Einfacher wird es dadurch nicht, das ohnehin schon komplizierte Bewertungssystem von Euro NCAP zu verstehen. Schließlich sorgt schon die Anpassung der Testparameter und der Bewertungsrichtlinien dafür, dass Autos die morgen mit drei Sternen bewertet werden, trotzdem sicherer sein können, als welche, die früher fünf Sterne erreichten.