Durstiger als gesagt: Hybridautos sind keine Spritsparwunder
München (dpa/tmn) - Die Verbrauchsangaben der Autobauer weichen teils stark von der Praxis ab. Das liegt an einer veralteten Norm und einem realitätsfernen Testprozedere. Verbraucher sollten auch bei Hybrid-Pkw skeptisch sein, die auf dem Papier besonders sparsam sind.
Die Verbrauchsangaben bei Neuwagen sind häufig verlockend niedrig - vor allem bei Hybridmodellen. Das macht die Autos mit kombiniertem Antrieb aus Verbrennungs- und Elektromotor für viele Pkw-Käufer interessant. Denn der Kraftstoffkonsum gehört zu den wichtigsten Kaufkriterien, wie eine Studie des CAR-Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen ergab. Doch die Werte, mit denen die Hersteller ihre Fahrzeuge bewerben, führen Verbraucher leicht in die Irre.
Bei einem aktuellen ADAC-Autotest kam etwa der BMW ActiveHybrid 3 Sport Line Automatic auf einen Durchschnittsverbrauch von 7 Litern Benzin pro 100 Kilometer. Das liegt um 19 Prozent über der Herstellerangabe. Beim Audi A6 2.0 TFSI Hybrid Tiptronic waren es bei einem Test Mitte 2012 mit 6,9 Litern 11 Prozent mehr als angegeben.
Doch das Ärgernis beschränkt sich nicht nur auf Hybride. Quer durch alle Antriebsarten schlucken die Fahrzeuge mehr als die Autobauer in den technischen Daten ausweisen. Zuletzt zeigte der ADAC Eco Test 2012 Abweichungen gegenüber dem tatsächlichen Verbrauch von bis zu 30 Prozent. Nur bei einem der acht Testwagen stimmte der ausgewiesene mit dem tatsächlichen Verbrauch überein. Auf die Normangaben bei Elektroautos ist nach ADAC-Erkenntnissen auch kein Verlass: Ein schwedisches Modell benötigte statt 14,7 Kilowattstunden Strom pro 100 Kilometer im Alltagsbetrieb 28,3 - fast das Doppelte.
Dass die Normwerte in der Praxis kaum erreichbar sind, liegt nicht zuletzt am Messzyklus NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Die Bedingungen für die Verbrauchsermittlung durch Organisationen wie TÜV und Dekra legt die europäische Richtlinie 93/116 EWG fest.
Ermittelt wird der Normverbrauch auf einem Rollenprüfstand, dessen Rollen die Fahrwiderstände simulieren. Die Lufttemperatur muss zwischen 20 und 30 Grad Celsius liegen, Luftdruck und -feuchtigkeit sind auch vorgegeben. Rund 20 Minuten dauert der Testlauf, bei dem das Fahrzeug auf den Rollen auf bis zu 120 km/h beschleunigt wird. Ein Computer gibt dem Fahrer die Phasen der rund elf Kilometer langen simulierten Fahrt vor. Sogar die Gangwechsel steuert der Rechner. Aus den gemessenen Abgasen wird schließlich der Verbrauch errechnet.
Um bei dem Test möglichst gut abzuschneiden, setzen Autobauer laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zum Beispiel auf Leichtlaufreifen mit extrem erhöhtem Reifendruck und auf Motoröl mit minimalen Reibbeiwerten. Außerdem laden sie die Batterie vorher randvoll, um den Verbrauch zu senken. Zur Verringerung des Motorwiderstands klemmen einige sogar die Lichtmaschine ab. Auch werden laut DHU häufig Klimaanlagen und andere Geräte aus den Testfahrzeugen entfernt, um Gewicht zu sparen. Solche Bedingungen kommen in der Realität nie vor und führen zu irrealen Werten.
Gerade bei Hybridautos, die bis zur Grenze der Akkukapazität rein elektrisch fahren können, ergeben sich durch den NEFZ in der Praxis nicht einmal annähernd erreichbare Verbrauchswerte, sagt Axel Knöfel, Versuchsingenieur Fahrzeugtest im ADAC Technik Zentrum. Die elektrisch gefahrenen Kilometer gehen mit Null in die Rechnung ein. Vor den Testläufen laden die Hersteller die Hybridbatterie randvoll, damit der Ladevorgang nicht zulasten des Kraftstoffverbrauchs geht.
Nicht viel besser als bei konventionell angetriebenen Pkw und Hybriden sieht es bei Elektroautos aus: Bei der Ermittlung der Durchschnittswerte für Reichweite und Stromverbrauch können die Hersteller mit ähnlichen technischen Kniffen tricksen, um die Werte zu schönen. „Und die Tests werden nach ECE-Norm R 101 stets bei 22 Grad Celsius durchgeführt“, weiß Knöfel. Das seien ideale Bedingungen für die Batterie. Im Winter müssten E-Auto-Fahrer mit bis zu 30 Prozent weniger Reichweite als vom Hersteller versprochen rechnen.
„Ursprünglich war der NEFZ dazu gedacht, über die Abgasemissionen Schadstoffeinstufungen vorzunehmen. Dazu eignet sich der Zyklus gut“, sagt Knöfel. Zur Ermittlung des Normverbrauchs sei dessen Anwendung fragwürdig. Die ausgewiesenen Verbrauchsdaten seien „am ehesten dazu geeignet, unterschiedliche Fahrzeuge miteinander zu vergleichen“, erklärt Jiri Vejsada, Leiter des Abgaslabors beim TÜV Rheinland.
Doch es tut sich etwas an der Testfront: 2014 sollen laut Knöfel die Bedingungen für ein realitätsnäheres Verfahren feststehen. Und ab 2017 sollen alle neuen Pkw-Modelle am Markt das „Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure“ (WLTP) absolviert haben, das die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) ausarbeitet - inklusive eigener Regeln für alternative Antriebe.
„Ein weltweit gültiges Verfahren einzuführen, gleicht einem Spagat, denn der neue Zyklus muss unterschiedliches Fahrverhalten in unterschiedlichen Ländern berücksichtigen“, schildert Knöfel die Schwierigkeiten. Das neue Verfahren werde die Verbrauchswerte aber deutlich realitätsnäher abbilden, ist der Experte sicher.