Einer geht noch: Getriebe-Automatik legt einen Gang zu

Detroit/Friedrichshafen (dpa/tmn) - Mit dem Getriebe ist es wie mit einem Diner: je mehr Gänge, desto besser. Während beim Essen aber mit jedem Gang die Kalorien steigen, geht der Verbrauch beim Schalten zurück.

So legt die Automatik jetzt wieder einen Gang zu.

Die Neun ist erreicht. Nachdem sich Automatikgetriebe in Pkw mit sechs Stufen als weitgehender Standard etabliert haben und vor etwa vier Jahren die ersten Schaltungen mit acht Gängen in den Handel kamen, legen die Autobauer nun schon wieder einen Gang zu. Ab diesem Herbst gibt es die ersten Fahrzeuge mit Neun-Gang-Automatik.

Das klingt erst einmal verdächtig nach einem vom Marketing getriebenen Wettrüsten. „Doch die Zahl der Gänge ist alles andere als eine Frage des Marketings“, sagt David Mitchell aus der Getriebe-Entwicklung von Land Rover. Als Beweis führt er den Range Rover Evoque ins Feld, der zur Modellpflege im Herbst als erstes europäisches Auto mit einer Neun-Gang-Automatik starten wird: Der Verbrauch sinkt laut Hersteller dadurch um etwa zehn Prozent.

Allerdings: Mehr als die Hälfte dieser Einsparung geht auf das Konto der Start-Stopp-Funktion, die in das neue Getriebe integriert ist. „Doch es bleiben vier Prozent, die allein durch die weitere Spreizung der Gänge und die bessere Anpassung der Drehzahl erreicht werden“, erklärt Mitchell. Trotz der zusätzlichen Gänge sei das Getriebe 7,5 Kilo leichter als die sechsstufige Automatik, die im Range Rover Evoque ersetzt wird.

Die Neun-Gang-Automatik ist allerdings keine Spezialität von Land Rover allein. Im gleichen Segment kontert Jeep mit ebenfalls neun Schaltstufen im neuen Cherokee. Auch dieser Geländewagen werde mit dieser Automatik deutlich sparsamer, versprechen die Amerikaner. Und auch hier bekommt das Getriebe Schützenhilfe: Zusammen mit einem neuen Motor, der mit vier statt sechs Zylindern auskommt, geht der Spritdurst des Basismodells laut Hersteller um 45 Prozent zurück. Für den europäischen Markt soll das Automatikgetriebe auch mit einem Diesel kombiniert werden.

Entwickelt wurden die bei Jeep und Land Rover eingesetzten Getriebe von ZF in Friedrichshafen. Und der deutsche Zulieferer denkt bereits einen Schritt weiter. „Zwar werden die Radsätze immer komplexer, die Steuerung wird aufwendiger, und man muss ganz schön zaubern, um das alles ins Gehäuse zu bekommen“, sagt Projektleiter Heribert Scherer. „Aber ich glaube nicht, dass mit neun Gängen wirklich Schluss ist.“

Dass mehr geht, belegt ein Blick ins Lkw-Cockpit, wo Schaltungen mit diversen Untersetzungsgetrieben auf zwölf und mehr Gänge kommen. Um den Verbrauch im Pkw-Bereich weiter zu senken, entwickelt Volkswagen ein 10-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Und auch die Hersteller General Motors und Ford denken über einen weiteren Gang nach. Die beiden US-Unternehmen arbeiten gemeinsam an einem neuen Wandlerautomaten. Auf dem Zettel haben sie neben einem Getriebe mit neun Fahrstufen erstmals auch eine Zehn-Gang-Automatik. Wann dieses Getriebe in den Handel kommt, ließen die Partner noch offen. In der amerikanischen Fachpresse ist von 2016 die Rede.

Für größere Modelle werde derzeit erst einmal eine
Acht-Gang-Automatik entwickelt, sagt Patrick Munsch, Pressesprecher der GM-Tochter Opel, und stellt Spriteinsparungen von knapp vier Prozent in Aussicht. So will Opel mit den Premium-Herstellern aus dem VW-Konzern sowie BMW und Jaguar/Land-Rover gleichziehen, die die Acht-Gang-Automatik schon einsetzen. Für kleinere Modelle kommt bei Opel ein neues automatisiertes Schaltgetriebe.

Auch bei Kooperationspartner Ford stehen zunächst andere Neuerungen an: Nach Angaben aus der Deutschland-Zentrale in Köln will die Marke erst einmal den Einsatz der Doppelkupplungsautomatik ausweiten.

Insgesamt aber scheint die Entwicklung immer mehr Gänge zu fordern. Wird es bald also Automatikgetriebe mit mehr als zehn Stufen geben? Theoretisch schon: Das sei wie beim Fahrrad, wo man den Tritt mit jedem zusätzlichen Gang besser an Steigung und Tempo anpassen könne, erläutert ein ZF-Ingenieur.

Wenn man die Gänge allerdings immer weiter spreizt und feiner abstuft, so der ZF-Experte, komme man am Ende nicht zu Automatikgetrieben mit 12, 18 oder gar 24 spürbaren Schaltstufen, sondern zu einer Getriebevariante, die schon längst erfunden ist: zur stufenlosen Automatik. Sie wählt für jede Fahrsituation eine individuelle Übersetzung, konnte sich aber im großen Stil nur bei japanischen Herstellern durchsetzen. Fahrkomfort und Ansprechverhalten stehen bei dieser Getriebetechnik in der Kritik.