Gimmicks fürs Gelände: SUV-Extras für den Extremfall
Solihull/Bad Kissingen (dpa/tmn) — Auf den Mount Everest klettert man ja auch nicht mit Trekking-Sandalen und Spazierstock: Wer seinen Geländewagen tatsächlich im Gelände nutzen möchte, braucht ein paar Extras fürs Extreme.
Die meisten davon müssen nachgerüstet werden.
Sie erkennen den Untergrund und stellen sämtliche Fahrwerkssysteme automatisch ein. Ihre intelligenten Allradsysteme verteilen die Kraft situationsgerecht zwischen den einzelnen Rädern. Die Elektronik leitet sie im Kriechgang die große Gefälle hinunter oder heftige Steigungen hinauf. Glaubt man ihren Herstellern, kommt man mit ihnen tatsächlich durch dick und dünn: Es geht um moderne Geländewagen.
Für 99,9 Prozent der Kunden wird ein Geländewagen tatsächlich in allen Fahrsituationen genügen, sagt Thomas Schmitt aus Bad Kissingen. Allein, weil die meisten Halter ihren Allradler nicht herausfordern und eben doch nur auf Asphalt bewegen. „Wer mit seinem Geländewagen aber wirklich ins Gelände will, braucht ein paar spezielle Extras.“ Schmitt muss es wissen. Er veranstaltet in Bad Kissingen die Messe Abenteuer Allrad. 230 Firmen zeigen dort zwischen 30. Mai und 2. Juni unter anderem Extras fürs Extreme.
Während der Begriff Geländewagen im Falle vieler SUV ohne Allradantrieb nicht mehr so recht ernst genommen werden kann, rüsten manche Fahrzeughersteller allerdings auf. So Land Rover: Mit dem neuen Range Rover Sport bringen die Briten die erste elektronische Wasserstandsmessung ins Auto. Damit man bei Flussdurchfahrten keine nassen Füße bekommt, messe ein Sensor in den Außenspiegeln die Entfernung zur Wasseroberfläche, erläutert Projektleiter Nick Rogers.
Aus der gespeicherten Höhe und dem Winkel des Wagens ermittelt die Elektronik, wie hoch das Wasser im Motorraum steht und schlägt bei kritischen Werten Alarm. „So kann man rechtzeitig anhalten und zurücksetzen, bevor der Motor absäuft“, sagt Rogers. Zukünftig soll die Wade Aid genannte Technik vorausschauen und eine Furt so scannen können, dass man schon vom Ufer aus weiß, ob sie passierbar ist.
Ein weiteres Gelände-Gimmick hat der Mercedes G 6x6 zu bieten, den der Stuttgarter Hersteller in einer Kleinserie bauen will. Damit der Wagen in der Wüste oder im Schnee nicht einsinkt, lässt sich vom Steuer aus der Reifenluftdruck anpassen. Möglichst wenig Luft in den Pneus verspricht zum Beispiel auf Sand ein besseres Vorankommen. Nach der Wüstenfahrt sorgen ein eingebauter Kompressor, zwei Hochdrucktanks in den hinteren Kotflügeln und ein Knopfdruck dafür, dass der Sauerstoff wieder in die Reifen schießt.
Auch die Kameras und Parksensoren, die sonst beim Rangieren in engen Parkhäusern helfen, lassen sich gut fürs Gelände nutzen: Bei Fahrzeugen wie dem Toyota Land Cruiser etwa wird in die Bildschirmdarstellung nicht nur der Lenkradeinschlag eingeblendet, um zwischen den Gesteinsbrocken gefährliche Fehler zu vermeiden. Überprüfen kann der Fahrer auch, ob das Dickschiff noch zwischen den zwei Baumstümpfen hindurch passt und Felsen flach genug oder Gräben nicht zu schmal sind.
Auf Unterhaltung mittels künstlicher Augen setzt die Mercedes-Designstudie GLA, die auf der Messe in Shanghai gezeigt wurde. Mit zwei Videokameras in den Dachholmen lässt sich jede Abenteuerfahrt live aufzeichnen und später auf dem Bordmonitor nacherleben. Weil SUV-Kunden ja angeblich gerne Mountainbike oder Ski fahren, können die Kameras auch demontiert und an einem Helm befestigt werden, verspricht Pressesprecherin Anja Wasserteurer.
Um seine echten Augen möglichst gut zu nutzen, braucht es vor allem eines: Licht. Weil selbst helle Xenon-Scheinwerfer im Gelände oft nicht ausreichen, gehören Zusatzscheinwerfer zur beliebten Offroad-Sonderausstattung. Der neue VW Amarok Canyon zum Beispiel hat einen Bügel an der Kabine, auf dem vier starke Strahler montiert sind, sagt Pressesprecher Jens Bobsien.
Thomas Schmitt vom Veranstalter der Messe Abenteuer Allrad beobachtet Accessoires wie Zusatzkameras mit einem Schmunzeln. Gemessen an den in Bad Kissingen gezeigten Umrüstungen seien solche Extras nur Anbauten „für Feierabend-Abenteurer“. Wer es ernst meine, benötige Dünenbleche für Sandfahrten oder Dachzelte für Übernachtungen jenseits der Zivilisation.
Auf der Messe gezeigt werden sollen auch Umbauten mit extremer Bodenfreiheit, mechanische Sperren für den Allradantrieb, spezielle Untersetzungsgetriebe und Schnorchel für den Einsatz in tiefen Wasserläufen, die am Fensterrahmen bis auf Dachhöhe führen. Über sie anstelle des Kühlergrills saugt der Motor seine Luft an. Selbst mobile Toiletten lassen sich nachrüsten.
Allerdings lohnt sich bei den Extras fürs Extreme mitunter ein Blick ins Cockpit von Baufahrzeugen. Der Schlauch, der im Fahrerhaus des neuen Mercedes-Lasters Arocs baumelt, wäre auch in manchem Geländewagen praktisch. An ihm hängt hinten ein Kompressor und vorne eine Pistole, mit der sich dreckige Fußräume per Druckluft säubern lassen. Auch im Geländewagen genügte ein Zischen - und die Spuren des Abenteuers wären beseitigt und das SUV wieder bereit für den Alltag.