Graue Maus oder Froschkönig? - Autos mit Oldtimer-Potenzial
Berlin (dpa/tmn) - Der Golf prägt Deutschlands Straßenbild wie kaum ein anderes Auto. Gut erhaltene Exemplare aus zweiter Generation könnten bald als automobiles Kulturgut gelten und ein H-Kennzeichen bekommen.
Das gilt auch für weitere Baureihen der frühen 80er.
Der Audi 100 C3 und der Baby-Benz Mercedes 190 feierten im vergangenen Jahr ihren 30. Geburtstag. Haben Autos dieses Alter erreicht, können sie in gutem Originalzustand mit H-Kennzeichen als Oldtimer zugelassen werden, was unter anderem Vorteile bei Kfz-Steuer und Versicherung bringen kann. In diesem Jahr sind der Golf II, Fiat Uno oder auch der Peugeot 205 an der Reihe, und im nächsten Jahr zum Beispiel der Opel Kadett E und der Renault Espace. Doch ob all diese häufig gebauten, technisch fortschrittlichen, optisch aber eher unauffälligen Automobiljahrgänge als Oldtimer pflegende Liebhaber finden werden, bleibt abzuwarten.
Ein Audi 100 C3 von 1982 könnte sich als Oldtimer ganz gut machen. „Auch wenn er heute unspektakulär wirkt: Er kam damals als Hingucker mit extrem stromlinienförmiger Leichtbaukarosserie auf den Markt“, berichtet Holger Drews vom Youngtimer Club Berlin. Vor allem der Audi Quattro und der Avant TDI gelten als Favoriten für Oldtimer-Freunde.
Mit verzinkter Karosserie und G-Kat kam 1983 der Golf II auf den Markt. Bis 1991 produzierte Volkswagen 6,4 Millionen Einheiten, davon 735 575 GTI. „Insbesondere der seltene GTI G60 mit 1,8-Liter-Motor erfährt große Wertschätzung“, weiß Martin Stromberg vom Marktbeobachter Classic Data. „Während ein Golf II CL noch ein Dasein als graue Maus am Straßenrand fristet, erfährt der GTI schon einen Boom, bevor er überhaupt 30 ist.“ Doch lohnt es sich, auch in eine graue Maus zu investieren?
Eine zumeist kostenintensive Erhaltung trägt nicht immer zu einer Wertsteigerung bei. Die ersten Standardexemplare einer jeden Baureihe verschwinden meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren von der Straße, weil sie verschlissen sind. „Entscheidend bei der Erstellung eines Oldtimer-Gutachtens, das zur Erteilung des H-Kennzeichens erforderlich ist, sind Kriterien wie der Original- und der aktuelle Pflegezustand des Fahrzeugs“, erklärt Stromberg weiter. Geringe Laufleistung, gute Pflege und wenige Vorbesitzer seien beste Voraussetzungen, um aus einem Youngtimer einen Klassiker zu machen.
Sogar ein Mercedes-Benz 190 könnte das gewisse Etwas haben. Er zählte beim Verkaufsstart 1982 zu den sichersten Autos seiner Klasse. „Als Liebhaberautos der Baureihe gelten zum Beispiel der 190 E 16-Ventiler mit 185 PS bis 235 PS oder die Tuning-Modelle wie der 190 E 3.2 AMG“, erläutert Michael Arlt, der eine Fanseite zum Mercedes 190 betreibt. „Ich bin mir sicher, dass der 190er ein würdiger Oldtimer wird.“
Doch auch die gute Haltbarkeit von Fahrzeugen der 80er und 90er Jahre garantiert keine Rettung hinüber in den Oldtimer-Status. „Politische Hürden wie verschärfte Emissionsstandards, damit einhergehende höhere Steuern, Konjunkturimpulse wie Abwrackprämie oder Steuererleichterungen für Neufahrzeuge als Kaufanreiz verhindern den Effekt, seinen Youngtimer möglichst lange am Laufen zu halten“, sagt Classic-Data-Chef Stromberg. „Die in den 80er Jahren meistverkauften Autos Fiat Uno und Peugeot 205 oder der Opel Kadett E sind heute, wohlgemerkt in gutem Zustand, kaum noch zu finden.“
Ebenso rar macht sich der Renault Espace I, Europas erste Großraumlimousine, der im kommenden Jahr 30 Jahre alt wird. Der Berliner Club PeReCi für klassische französische Automobile sieht für den Kult-Van nur eine sehr kleine Nachwuchs-Fangemeinde. Nur Sondermodellen und Exoten wie dem Renault Avantime, dem Renault 30 oder dem Safrane stünden rosige Zeiten bevor.
Aber auch Alltagsmodelle können im Laufe der Jahrzehnte durchaus im Wert steigen, stellt der Verband der Automobilindustrie (VDA) fest. „Die durchschnittlichen Werte der Oldtimer sind 2012 um 4,2 Prozent gewachsen“, berichtet VDA-Präsident Matthias Wissmann. „Wir haben festgestellt, dass auch frühere Großserienmodelle wie etwa der Käfer deutliche Wertsteigerungen erfahren haben.“
Beim Opel Kadett E, der im nächsten Jahr seinen 30. feiert, gelten „ganz klar die GT/GSI Versionen als 8- oder 16-Ventiler und eventuell noch die Cabriolets ab 1987 mit dem schicken Henkel à la Golf I Cabrio“ als Favoriten, sagt Youngtimer-Experte Drews. „Bei den anderen Varianten bedarf es schon einer gehörigen Portion Sympathie.“ Es ist also nicht ausgeschlossen, das sich ein unscheinbarer Kadett E oder ein Golf II CL in vielleicht 10 bis 20 Jahren auch als Froschkönige erweisen - wenngleich es dafür keine Garantie gibt.