In der Komfortzone - Klimatechnik fürs Auto immer aufwendiger
Stuttgart/Paris (dpa/tmn) - Warm im Winter, kühl im Sommer - das ist nicht mehr alles, was bei der Klimatisierung von Autos zählt. Viele Hersteller haben mehr zu bieten: Naturdüfte, Windböen, beheizte Polster mit Massagefunktion.
Die tägliche Pendelei, Urlaubsfahrten über den halben Kontinent und ständig Staus: „Die Menschen verbringen immer mehr Zeit im Auto“, sagt Götz Renner aus der Kundenforschung von Mercedes. So werde das Auto zusehends vom Transportmittel zum Lebensraum, an den Verbraucher ganz andere Anforderungen stellen. „Wo man lebt, will man sich wohlfühlen.“ Und dafür muss das Klima stimmen.
Bei der nächsten S-Klasse hat Mercedes darauf viel Wert gelegt. Auf Kundenwunsch verwandeln die Schwaben ihr neues Flaggschiff in eine Art Wellness-Oase. So bauen sie nicht nur eine Klimaautomatik mit vier Temperaturzonen und Sitzheizungen für alle Plätze ein. Sondern es gibt gegen Aufpreis auch ein Beduftungssystem mit vier eigens für die Luxuslimousine komponierten Parfüms - und sogar Sitze, die mit beheizten und individuell ansteuerbaren Luftkissen eine Hot-Stone-Massage nachahmen.
Mit diesem Engagement fürs gute Klima ist Mercedes nicht alleine: So hat Lexus zum Beispiel im 2012 vorgestellten GS eine neue Klimaautomatik namens S-Flow eingebaut, die mit einer mehrschichtigen Belüftungstechnologie arbeitet und jeden Insassen individuell anströmt. Die Luftführung ist den Unternehmensangaben zufolge in zwei Bereiche unterteilt: Frischluft von außen wird in den oberen Teil des Innenraums geführt, um ein Beschlagen der Scheiben zu vermeiden. Im unteren Bereich zirkuliert die klimatisierte Luft, um eine hohe Heizleistung zu gewährleisten.
Für reine Luft sorgt im Lexus GS die sogenannte Nanoe-Technologie, die mikroskopisch kleine, negativ geladene Ionen in einer Hülle aus Wassermolekülen in den Innenraum leitet. Diese binden Schadstoffe aus der Luft, entfernen lästige Gerüche aus Sitzen und Dachhimmel und haben obendrein einen feuchtigkeitsspendenden Effekt, verspricht der Hersteller. Passagiere sollen erfrischt aus dem Wagen steigen.
Die noble Nissan-Marke Infiniti hat sich für ein neues Klimasystem von einem Waldspaziergang inspirieren lassen: „Im Wald fühlt sich der Mensch in der Regel am wohlsten“, sagt Entwickler Yuzuru Yoshinami und präsentiert zwei Duftspender, aus denen es nach Holz und Laub riecht. Kombiniert werden sie mit einer Zufallssteuerung für das Gebläse, die einem im Cockpit sanfte Windböen vorgaukelt. „So fühlt man sich erfrischt wie von einer Brise und gewöhnt sich nicht so leicht an die Atmosphäre“, erklärt Yoshinami.
Dass solche Systeme kein Privileg im automobilen Oberhaus sind, sieht man zum Beispiel bei Renault: Für den elektrischen Kleinwagen Zoe gibt es in der Ausstattungslinie Zen ein „Take-Care-Paket“ mit Ionisator, der ähnlich wie im Lexus die Luft reinigt und auffrischt. Duftspender, für die acht „revitalisierende und entspannende“ Parfüms zur Wahl stehen, und ein Luftbefeuchter helfen dabei. „Von einem Sensor gesteuert, verhindert der das Austrocknen von Haut, Augen und Atemwegen“, erläutert Renault-Sprecher Thomas May-Englert.
Das Beduftungssystem für den Innenraum, das Mercedes in der neuen S-Klasse als Innovation anpreist, ist laut Citroën auch längst für das Kompaktklassemodell C4 zu haben: „Der aktuelle C4 war das erste Auto, in dem solche Parfümspender eingesetzt wurden“, heißt es aus der Presseabteilung des französischen Autobauers.
Tatsächlich neu in der S-Klasse von Mercedes sind die Heizdrähte in den Türverkleidungen und den Armauflagen auf der Mittelkonsole. Durch Lenkrad und Sitze ziehen sie sich aber inzwischen bei Modellen quer durch alle Fahrzeugklassen, wenn auch in der Regel nur gegen Aufpreis.
Die Weiterentwicklung der Klimatechnik hat für die Autobauer übrigens nicht allein deshalb so einen hohen Stellenwert, weil sie für das Wohlbefinden der Passagiere wichtig und damit ein Verkaufsargument ist. Sondern gutes Klima im Wagen trägt laut Mercedes-Forscher Renner auch zur Verkehrssicherheit bei: „Denn nur ein entspannter Fahrer ist auch ein sicherer Fahrer. Deshalb kann ein wenig Wellness im Wagen nicht schaden.“