Innovative Bediensysteme im Auto
Suttgart (dpa/tmn) - Knöpfe drücken und Hebel bedienen war gestern: Damit Autofahrer Herr über die neuen Funktionen im Wagen bleiben, experimentieren die Autohersteller mit neuen Bediensystemen wie der Gestensteuerung.
Aber manchen Forschern geht das nicht weit genug.
Smartphones und Tablet-Computer haben es vorgemacht: Man kann mit ihnen im Internet surfen, Musik abspielen, tausende Programme nutzen - und braucht dafür nicht mal ein halbes Dutzend Knöpfe oder Tasten. Das ist ein Ideal, dem Autoentwickler neidvoll hinterhereifern. Denn damit Autofahrer die vielen neuen Funktionen im Fahrzeug im Griff behalten, müssen immer mehr Bedienelemente im Armaturenbrett untergebracht werden. Das stellt die Designer vor ein stilistisches Problem. Vor allem erhöht es aber die Gefahr, den Fahrer abzulenken oder sogar zu überfordern.
„Wir experimentieren deshalb mit vielen neuen Bediensystemen, die zusätzliche Funktionen im Fahrzeug einfach und elegant erschließen“, sagt Bharat Balasubramanian. Er leitet bei Mercedes in Stuttgart die Direktion Produktinnovationen.
Zwar würden die Autohersteller wahrscheinlich lieber heute als morgen auf eine Bedienung wie beim iPad umstellen. „Doch auch wenn das noch so simpel ist, können wir solche Lösungen nicht einfach ins Auto übernehmen“, betont Balasubramanian. Er sieht die größte Hürde in der Auffassungsgabe des Fahrers: „Der muss sich immer auf die Straße und den Verkehr konzentrieren, und kann nicht sekundenlang einen Touchscreen studieren.“
Doch die Abrüstung im Krieg der Knöpfe schreitet voran, und schon heute können in zahlreichen Autos viele Funktionen ohne Schalter, Taster oder Drehräder aktiviert werden. Die Sprachsteuerung gibt es mittlerweile bei Herstellen wie Audi, BMW oder Mercedes bis hinunter in die Kompaktklasse. Statt einzelner Buchstaben und Ziffern versteht sie etwa bei der Navigationseingabe längst ganze Wörter, Zahlenreihen oder teilweise auch vollständige Sätze.
Berührungsempfindliche Bildschirme sind bei Navigations- und Infotainmentsystemen inzwischen die Regel. Bei Audi können sie sogar Handschriften erkennen: Auf der Mittelkonsole des A8 gibt es ein Sensorfeld, auf dem Navigationsziele mit dem Zeigefinger buchstabiert werden können. „Das funktioniert fast blind und reduziert die Ablenkung auf ein Minimum“, sagt Audi-Entwickler Werner Hamberger.
Nicht nur bei Navigation und Kommunikation werden Schalter zunehmend überflüssig. Auch konventionelle Funktionen im Auto lassen sich mit neuen Bediensystemen steuern: Das Handschuhfach im Jaguar XF zum Beispiel hat nach Angaben von Pressesprecherin Andrea Leitner einen Nährungssensor statt Griff oder Taste: „Führt man die Hand in die Nähe dieses Feldes, öffnet die Klappe wie von Geisterhand.“
Sensoren werden wohl in Zukunft noch so manchen Knopf oder Griff ablösen. Der Zulieferer Continental etwa hat virtuelle Schalter entwickelt, die laut Pressesprecher Enno Pflug auf Oberflächen aufgedruckt werden. Die Steuerung übernimmt ein Infrarot-Sensor, der die Finger des Fahrers abtastet. Durch die Schalter ohne Tiefgang sparen die Entwickler knappen Bauraum im Cockpit und können auch Glas oder Metallkonsolen als Bedienflächen nutzen.
Ganz ohne direkten Kontakt kann man nach den Planungen von Continental demnächst den Informationsfluss im Fahrzeug steuern und die Darstellung auf den Monitoren wechseln. Dank Gestensteuerung soll es künftig ausreichen, vor dem Bildschirm zu winken, um zum Beispiel die Navigationskarte aus dem Display in der Mittelkonsole auf die Anzeige hinter das Lenkrad zu übertragen. „Will man dort wieder etwas anderes sehen, reicht eine zweite Handbewegung, um die Karte beiseite zu wischen“, erläutert Pflug die Zukunftstechnologie.
Ähnliche Ansätze verfolgt Mercedes-Forscher Balasubramanian, der die Gestensteuerung für zahlreiche Fahrzeugfunktionen nutzen möchte: „Wenn man die Hand Richtung Deckenlampe bewegt, könnte das Licht angehen. Und wenn man über die Scheibe streicht, könnte sich die Scheibe öffnen“, stellt er in Aussicht. Das klingt einfach, lässt sich aber so simpel nicht umsetzen - „die Bewegung muss ja irgendwie erkannt und zweifelsfrei zugeordnet werden.“ Deshalb wird es wohl noch einige Jahre bis zur Serienreife dauern. Langfristig kann sich Balasubramanian sogar eine „dematerialisierte Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine“ vorstellen - komplett ohne Schalter und Knöpfe.
Diese Vision haben in letzter Konsequenz auch die Forscher in den Laboratorien der Autonomos Labs der Freien Universität in Berlin. Sie arbeiten am autonomen Auto, das seinen Weg allein durch den Verkehr findet. Und sie entwickeln neue Lösungen für die sogenannte Mensch-Maschine-Schnittstelle. „Denn irgendwie müssen die Insassen dem Auto ja mitteilen, wohin die Reise gehen soll“, erklärt Forscher Henrik Matzke. „Und Knöpfe kamen uns dafür zu antiquiert vor.“ Deshalb haben die Berliner Wissenschaftler den „Brain Driver“ entwickelt. Das System, das auf dem Testgelände bereits funktioniert, erfasst mit Sensoren die Hirnströme des Fahrers und setzt diese in Lenkbefehle um. So lassen sich Autos allein mit den Gedanken steuern.