Klasse statt Masse: Premieren auf der Intermot
Köln (dpa/tmn) - Ein Superbike mit Kompressormotor zählt zu den spektakulärsten Neuvorstellungen auf der diesjährigen Intermot. Die Motorradmesse ist aber nicht nur für die Vollgas-Fraktion eine Reise nach Köln wert.
Manche mögen's heiß, andere Biker bevorzugen die gemütliche Gangart. Da fügt es sich, dass die Motorradhersteller mit ihren auf der Intermot (Publikumstage: 2. bis 5. Oktober) in Köln enthüllten Neuheiten in ganz unterschiedliche Richtungen fahren. Superbike-Fans werden ebenso bedient wie Cruiser-Anhänger. Die Devise dabei lautet: Klasse statt Masse. Auf der mittlerweile 50. Intermot gibt es spannende Neuzugänge in allen Segmenten zu entdecken:
Sportler: Mit einem Dampfhammer will Kawasaki die Supersport-Szene aufmischen. Probates Mittel dafür ist ein Kompressormotor, der sich gegenwärtig bei keinem anderen Motorradbauer findet. Mit viel Getöse wurde die Ninja H2 R beim Messeauftakt ins Rampenlicht gerückt - eine reine Rennmaschine, deren exakte Leistung der Hersteller zunächst verschwieg. Nur so viel wurde bei der Premiere verraten: Wahnwitzige 221 kW/300 PS waren das Entwicklungsziel. Als H2 ohne R soll dieses Geschoss bald auch auf die Straße kommen, zwar mit einer schwächeren Version des aufgeladenen Ein-Liter-Reihenvierzylinders, aber wohl immer noch stark genug, um die Konkurrenz zumindest auf dem Papier abzuhängen.
Nicht ganz so dick trägt BMW in der gleichen Hubraumklasse bei seinem aktualisierten Supersportler S 1000 RR auf: Das Powerplus von 4 kW/6 PS ist marginal, bedeutet aber unterm Strich ebenfalls gewaltige 146 kW/199 PS Spitzenleistung - bei einem reduzierten Fahrzeuggewicht von 204 Kilogramm. Trotz neuer Frontmaske bleibt es beim schiefen Blick durch asymmetrische Scheinwerfer.
Im Einsteigerbereich bietet Honda ab der nächsten Saison einen neuen Sportler mit Einzylindermotor an. Die 23 kW/31 PS starke CBR300R sieht wie eine kleine Kopie der CBR1000RR Fireblade aus.
Enduros: Ein dickes Ding für Weltenbummler steht am Messestand von KTM: Die 1290 Super Adventure ist das neue Oberhaupt in der Reiseenduro-Familie der österreichischen Marke. Sie fährt mit dem modifizierten 1,3-Liter-V2 des Naked Bikes 1290 Super Duke R. In der Super Adventure kommt er auf 118 kW/160 PS. Serienmäßig sind Stabilitäts- und Traktionskontrolle, semiaktives Fahrwerk, Tempomat, Kurvenlicht und ein großer Kraftstofftank mit 30 Litern Fassungsvermögen an Bord. Gegen Aufpreis gibt es - erstmals für ein Motorrad überhaupt - eine Berganfahrhilfe.
Für Touren rund um die Welt ist auch die Aprilia Caponord 1200 Rally gerüstet. Offroad-taugliche Speichenräder, Motorschutzbügel, Hartschalenkoffer, 24-Liter-Tank, ein hoher Windschild und LED-Zusatzscheinwerfer unterscheiden sie vom Basismodell. In der Mittelklasse trumpft Suzuki mit dem V-Strom-Ableger 650 XT für Abenteurer auf. Besonderheiten sind Speichenräder und ein einstellbares Fahrwerk.
Zumindest optisch tendiert Hondas facegelifteter VFR800X Crossrunner jetzt mehr in Richtung Enduro. Das liegt vor allem an der schlankeren Frontverkleidung des 78 kW/106 PS starken Mittelklasse-Bikes im Stil des größeren Crosstourers.
Echte Geländegänger von besonderem Schlag sind die um die 100 Kilo leichten Freeride-Modelle E-SX (Motocross) und E-XC (Enduro) von KTM: Sie fahren elektrisch über Stock und Stein, Offroad-Fans dürfte das unmittelbar abrufbare Drehmoment von 42 Newtonmetern aufhorchen lassen. Dazu gesellt sich die Supermoto Freeride E-SM. Rein zeitlich hält sich der Fahrspaß allerdings in Grenzen: Nach rund einer Stunde Fahrt ist laut KTM der Akku leer.
Naked Bikes: In dieser Kategorie haben die Hersteller auf der Intermot vergleichsweise wenig Neues zu bieten. Aber nicht nur deshalb gehört Suzuki hier die volle Aufmerksamkeit: Die GSX-S 1000 ließ lange auf sich warten, jetzt ist die bullige Nackte da - mit dem modifizierten Aggregat des von 2005 bis 2008 gebauten Supersportlers GSX-R 1000, das aus 999 Kubikzentimetern Hubraum um die 150 Pferdestärken schöpfen dürfte. Und wie es sich für einen Kraftprotz dieses Kalibers gehört, hat sie ein angriffslustiges Styling, zu dem tiefe Front, muskulöser Mittelbau und hohes Stummelheck gehören. Als GSX-S 1000 F kommt das Modell auch mit schlanker Verkleidung.
Tourer: Zurück zum BMW-Stand auf der Intermot, wo ein neuer Sporttourer im Geiste der wegweisenden R 1100 RS von sich reden macht. Die R 1200 RS ist mit dem vor zwei Jahren eingeführten wassergekühlten 1,2-Liter-Boxer (92 kW/125 PS) bestückt und soll im ersten Halbjahr 2015 starten. Bei flotten Autobahnetappen kann sich der Fahrer hinter der schnittigen Halbverkleidung mit aufgesetzter Scheibe und spitzer Nase wegducken, an Assistenten stehen ihm serienmäßig Stabilitätskontrolle und Fahrmodi für Normal- und Regenbetrieb zur Seite. Weitere Helfer wie eine Traktionskontrolle mit Schräglagenerkennung kosten extra.
An anderen Tourer-Premieren funkelt massig Chrom: Harley-Davidson bringt die Road Glide Special auf den deutschen Markt, die es in den USA zwar schon seit 30 Jahren zu kaufen gibt. Besonderheit ist die am Rahmen statt am Lenker montierte Verkleidung mit zwei großen Scheinwerfern - das ganze Konstrukt erinnert an einen Haifisch. Ganz neu ist die Elektra Glide Ultra Limited Low, eine geschrumpfte Version des Touring-Flaggschiffs von Harley für kleinere Biker. Auf der Luxus-Schiene fährt Indian mit dem üppig ausgestatteten V2-Modell Roadmaster in die gleiche Richtung.
Cruiser/Roadster: Noch einmal zurück zu BMW, wo als dritte Weltpremiere des bayerischen Motorradbauers die neue Generation der R 1200 R enthüllt wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Modell den Boxer mit Wasserkühlung bekommt. Technisch ist der moderne Roadster eng mit der R 1200 RS verwandt.
Doch lieber ein klassischer Cruiser gefällig? Dann lohnt ein Blick auf drei Neuvorstellungen der Polaris-Konzernmarken Victory und Indian. Victory zielt mit dem schweren Custom-Cruiser Magnum und der puristischen, in den USA schon erhältlichen Gunner auf die Harley-Kundschaft. Beide Modelle werden von einem mächtigen V2-Motor mit 1731 Kubikzentimetern Hubraum angetrieben. In der Mittelklasse cruist die schnörkellos gestaltete Indian Scout mit kleinerem V2 und ledernem Einzelsitz.
Klassik: Die italienische Marke Moto Guzzi hat bekanntermaßen ein Faible für 70er-Jahre-Design. Dieses bleibt auch bei der überarbeiteten V7 weitgehend unangetastet. Wieder in den Varianten Stone, Special und Racer zu haben, kommt die V7 II mit technischen Neuerungen wie ABS, Traktionskontrolle und Sechs-Gang-Getriebe daher. Der Motor wurde für mehr Kniefreiheit versetzt.
Wie man alte Formen modern interpretieren kann, will Ducati mit seinem künftigen Einstiegsmodell Scrambler demonstrieren. Namensgeber und Vorbild sind geländegängig gemachte Straßenmaschinen der 60er Jahre - die Vorläufer der Enduros.
Mit vier Sondermodellen schlägt Triumph in die Retro-Kerbe. Das sind die Bonneville-Ableger Newchurch, Spirit und T214 - letztere soll an das Geschwindigkeitsweltrekord-Bike von 1956 erinnern - sowie der Café-Racer Thruxton Ace. Alle haben unter anderem Speziallackierungen und viele schwarze Anbauteile, wo sonst Chrom blitzt.
Schließlich holt noch Yamaha mit der XJR 1300 Racer die Vergangenheit in die Gegenwart. Der 72 kW/98 PS starke Einsitzer im Café-Racer-Stil basiert auf dem ebenfalls enthüllten Facelift-Modell der Standard-XJR. Die kugelige Frontverkleidung könnte glatt von einer Rennmaschine aus den 70ern stammen - bestünde sie nicht aus Carbon.