Nachwachsende Rohstoffe im Auto

Rüsselsheim/Stuttgart (dpa/tmn) - Kokos, Holz, Baumwolle - Im Pkw kommen immer mehr nachwachsende Rohstoffe zum Einsatz. Ein Fall für den Komposthaufen werden Autos damit nicht. Bio-Bauteile schätzen die Entwickler dennoch - wegen ihrer teils überlegenen Eigenschaften.

Ganz neu ist die Idee nicht: Im Modell T von 1915 kam Leim auf Weizenbasis zum Einsatz. Und 1940 hat Ford sogar einen Kofferraumdeckel aus Sojabohnen-Plaste hergestellt. Doch neu ist der Trend: Immer mehr nachwachsende Rohstoffe halten Einzug in die Pkw-Produktion. Etwa weil für die CO2-Bilanz nicht nur der Verbrauch zählt, sondern auch die Fertigung. Oder sich Biofasern gut im Umweltbericht machen. Doch manche Werkstoffe aus dem Baukasten von Mutter Natur bieten auch den Entwicklern handfeste Vorteile.

„Jeder Renault enthält im Schnitt zwischen 13 und 16 Kilogramm an Naturfasern“, sagt Fabrice Abraham aus der Materialentwicklung des französischen Herstellers: Zum Einsatz kommen vor allem Baumwolle, Leinen, Holz, pflanzliche Öle und Kautschuk - in Sitzen, Leitungen, Innenraumverkleidungen, Kraftstoffschläuchen. Bei Porsche werden entsprechende Materialien „Nawaros“ genannt - etwa der Gepäckraumladeboden des Panamera wird daraus gefertigt. Mazda hat „Bio-Kunststoffe“ entwickelt, um den Anteil von Werkstoffen auf Erdölbasis zu verringern: Im Mazda5 Hydrogen RE Hybrid bestehen etwa das Gehäuse des Mitteltunnels, Teile der Innenraumverkleidung oder die Handschuhfach-Klappe aus dem neuen Material.

Bei Opel sind Fasern aus Flachs besonders populär, sagt Eveline Weber aus der Werkstoffentwicklung der Rüsselsheimer. Daraus hergestellt werden Türverkleidungen von Astra und Insignia sowie die Hutablagen und Verkleidungen von Seitenwänden und Heckklappen der meisten Opel-Modelle. Zudem werden Kunststoffelemente im Ladeboden zusehends durch Holzfasern ersetzt. In der nächsten Generation des Zafira wird man nicht mehr auf Schaumstoff, sondern auf Sitzauflagen aus Gummi und Kokosfasern reisen. Noch exotischer klingt das Grundmaterial, das Mercedes nach Angaben von Pressesprecher Dan von Appen in den Aktivkohlefiltern einsetzt: verkokte Olivenkerne.

Die Gründe für den Einsatz solcher, im Automobilbau exotisch anmutender Werkstoffe, sind nicht nur vom Ökogedanken getragen: „Wir wollen unsere Modelle umweltfreundlicher machen - von der Produktion bis hin zum Fahrzeugrecycling“, sagt Renault-Experte Abraham zwar. Zugleich gehe es aber auch um technische und wirtschaftliche Optimierung, da nachwachsende Rohstoffe oft besser als solche aus der Chemiefabrik seien.

An den Einsatz der umweltfreundlichen Werkstoffe stellen die Autohersteller deshalb hohe Anforderungen: „Sie müssen dieselben Kriterien erfüllen wie Bauteile aus künstlichen Stoffen“, stellt Opel-Entwicklerin Weber klar. Dazu gehört das Thema Sicherheit: Wenn die Fasern zu lang sind und beim Unfall gefährlich splittern, hat der Naturstoff keine Chance. „Kompromisse auf Kosten der Qualität gibt es nicht“, sagt Miriam Degott von Toyota. Häufig finden die Entwickler heraus, dass Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen nicht nur besser für die CO2-Bilanz, sondern auch leichter oder stabiler sind.

So vielseitig die Einsatzgebiete der Bio-Bauteile sind, sehen kann man sie nur selten: „Meist werden sie mit Dekorteilen kaschiert und verschwinden unter der Oberfläche“, sagt Opel-Expertin Weber. Nur Leder ist eines der Naturmaterialien, die gern gezeigt werden. Anders liegt der Fall bei Designstudien und Showcars: So hat Chrysler schon Sitze aus Soja, Land Rover als Furnierholz-Ersatz in Streifen geschnittenen Bio-Filz und Renault in der Studie Ondelios von 2008 sogar tragende Teile aus nachwachsenden Flachsfasern gebaut.