Neues EU-Label: Jetzt wird's bunt im Reifenhandel
Bonn/Berlin (dpa/tmn) - Ab Ende Mai dürfen Autoreifen mit einem neuen EU-Verbraucherlabel gekennzeichnet werden, ab November sind Händler dazu verpflichtet. Das Label informiert über Umwelt- und Sicherheitseigenschaften von Pneus, hilft aber nur bedingt beim Reifenkauf.
Mit einer Farbskala für Waschmaschinen und Kühlschränken fing es 1998 an: Der Öko-Aufkleber auf Elektrogeräten trennt seither Stromfresser von Sparmeistern. Im Dezember 2011 folgte ein Energieeffizienzlabel für Neuwagen. Nun kommt per EU-Verordnung die nächste Orientierungshilfe - diesmal für Reifen.
Ab dem 30. Mai dürfen Reifenhersteller mit dem neuen Label über die Eigenschaften ihrer Pneus informieren. Am Stichtag 1. November 2012 wird die Kennzeichnung Pflicht: Kunden müssen dann beim Händler für jedes Reifenmodell entsprechende Informationen an die Hand bekommen, erläutert Hans-Jürgen Drechsler. Ausgenommen sind dem Geschäftsführer des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) zufolge rundumerneuerte Pneus, Motorradreifen und einige Spezialreifen. Ausführliche Informationen findet man auch auf der Website des Verbandes.
Das Reifenlabel ist in drei Bereiche unterteilt. Am auffälligsten ist die Farbskala oben links zur Bewertung des Rollwiderstands, der den Benzinverbrauch von Autos beeinflusst. In dieser Kategorie reichen die Klassen von der grün markierten Stufe A für besonders gut hin zur schlechtesten Klasse G in Rot. „Zwischen den Kategorien A und G liegen 7,5 Prozent Kraftstoffersparnis oder sogar noch mehr“, sagt Lars Netsch, Reifenexperte beim TÜV Süd.
Rechts oben auf dem Label werden mit Buchstaben von A für sehr gut bis G für sehr schlecht die Bremseigenschaften auf nasser Fahrbahn beurteilt. Netsch erklärt auch hier die Abstufung: „Mit Reifen der Klasse A verkürzt sich der Bremsweg eines Pkws von Tempo 80 bei Nässe im Vergleich zu Reifen der Kategorie F um bis zu 18 Meter.“
Am unteren Rand des Labels findet sich schließlich noch ein Hinweis auf die Geräuschentwicklung beim Abrollen. Entscheidend ist dabei die Anzahl der gefetteten Schallwellensymbole: Drei dick gedruckte Wellen bedeuten, dass ein Reifen beim Fahren nahezu viermal mehr Lärm macht als ein Pneu mit nur einer gefetteten Welle.
„Das Label kann helfen, einen ersten Eindruck von Umwelt- und Sicherheitseigenschaften eines Reifenmodells zu bekommen“, sagt Gerd Lottsiepen, Verkehrspolitischer Sprecher beim Verkehrsclub Deutschland (VCD). Aber Verbraucher müssten sich im Klaren darüber sein, dass weitere wichtige Leistungsmerkmale von Reifen unberücksichtigt bleiben.
Hinzu kommt, dass die Hersteller ihre Pneus nach EU-Vorgaben in Eigenregie testen und bewerten. Lottsiepen kann sich zwar nicht vorstellen, dass große Marken bei der Selbstzertifizierung mogeln. Für unbekannte Billigreifen-Anbieter will er das aber nicht ausschließen. Der VCD-Experte fordert deshalb unabhängige Kontrollen.
Auch die Industrie pocht darauf: „Wir drängen auf staatliche Kontrollen, um uns selbst und andere zu verpflichten“, sagt Frank Titz, Mitglied der Geschäftsführung bei Goodyear Dunlop. Verbraucher sollten auf jeden Fall skeptisch werden, wenn ihnen Pneus mit Bestnoten bei Nassgriff und Rollwiderstand unterkommen, betont TÜV-Mann Netsch: „A-A-Reifen wird es vorerst nicht geben, weil das technisch noch nicht machbar ist.“
Alexander Bahlmann bestätigt das: „Auf Rollwiderstand optimierte Reifen können unter anderem wegen der unterschiedlichen Gummimischung nicht gleichzeitig beim Nassgriff Bestleistungen erbringen“, erläutert der Continental-Sprecher. Nach aktuellem Stand der Technik hält Bahlmann „Reifen der Klassen C-A, A-C oder B-B bei Rollwiderstand und Nassgriff für vorstellbar“.
Solange es keine A-A-Reifen am Markt gibt, rät Netsch generell zu Pneus, die „keine übertriebene Optimierung in eine Richtung“ haben. Er empfiehlt zusätzlich die Lektüre von Testberichten, um ein Reifenmodell zu finden, das die persönlichen Anforderungen an Sicherheit und Umweltschutz bestmöglich erfüllt.