Noppenplatte und Mini-Stadt: Orientierungshilfen für Blinde
Berlin (dpa/tmn) - Ob an Kreuzungen, auf dem Bahnsteig oder im Aufzug: An vielen Orten bringen Orientierungshilfen blinde Menschen weiter. Die Vielfalt der ausgeklügelten Wegweiser ist größer als manch Sehender vermuten mag.
Es gibt viele Orientierungshilfen für blinde und sehbehinderte Menschen, an denen Sehende meist blind vorbeilaufen. „Ich liebe Leitstreifen“, sagt Roswitha Röding (75) aus Berlin, die als Siebenjährige durch eine Krankheit ihr Augenlicht verloren hat. „Nur damit ist es mir möglich, mich ohne fremde Hilfe nur mit meinem Langstock zum Beispiel in Bahnhöfen zurechtzufinden.“ Welche Wegweiser Blinde noch ans Ziel bringen, erläutern der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und der Bundesverband der Rehabilitationslehrer anlässlich des „Tags des weißen Stockes“. Dieser jährt sich am 15. Oktober zum 50. Mal.
Bodenindikatoren: 1967 wurde in Japan eine Fußbodengestaltung entwickelt, die für blinde und sehbehinderte Menschen eine Hilfe sein soll. Die Platten mit gerippter oder genoppter Oberfläche, die sich mit dem weißen Stock ertasten lässt, sind Orientierungshilfen. Sie können aber auch vor Gefahren warnen. In Deutschland dürften laut DBSV inzwischen mehrere Tausend Kilometer dieser Bodenindikatoren verlegt sein. Die Gestaltung ist durch eine DIN-Norm geregelt. Das betrifft nicht nur die Oberflächenstruktur, sondern auch die Farbe: Die Platten bilden einen Hell/Dunkel-Kontrast zum restlichen Bodenbelag. Dadurch sind sie nicht nur für Blinde, sondern auch für Sehbehinderte nützlich.
Einzeln und in Kombination können die Rippen- und Noppenplatten ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Im Reha-Unterricht lernen Blinde, diese mit dem Stock zu „lesen“. Rippen in Gehrichtung dienen unter anderem als Leitstreifen und quer verlegt als Stopp-Zeichen - beide Bedeutungen vereinen zum Beispiel Bodenindikatoren an Bahnsteigen. Wer Gepäck darauf abstellt, zwingt blinde und sehbehinderte Menschen zu Umwegen, die gefährlich sein können, gibt der Rehalehrerverband zu bedenken. Noppenplatten warnen beispielsweise vor Gefahrenstellen wie Treppen.
Signalampeln: In Deutschland gibt es unterschiedliche Systeme für Blinde, allein in Berlin sind es sechs Varianten. Die Regel ist ein Lautsprecher am Ampelmast, aus dem ein klopfendes Auffinde-Signal tönt. Tiefer am Mast findet sich ein kleiner Kasten mit Knopf an der Unterseite, mit dem sich das „akustische Grün“ anfordern lässt. Das unterscheidet sich deutlich von dem Klopfen, im Idealfall vibriert bei „Grün“ der Anforderungsknopf. Dieser ist oft noch mit einem Pfeil versehen, der die Gehrichtung anzeigt. Weitere tastbare Markierungen informieren etwa darüber, ob die Straße komplett überquert werden kann oder ob es eine Mittelinsel mit einer weiteren Ampel gibt.
Ansagen: Auf Bahnsteigen sind die Ansagen für blinde Menschen sehr wichtig - der Blindenverband kritisiert, dass es sie nicht auf allen Bahnhöfen gibt. In der Bahn werden blinde Menschen per Ansage über Anschlussmöglichkeiten informiert. Besonders wichtig dort: der knappe Hinweis, auf welcher Seite in Fahrtrichtung sich der Ausstieg befindet. In Fahrstühlen gibt es zwar häufig tastbare Infos auf den Knöpfen, aber um zu erfahren, in welchem Stockwerk der Aufzug gerade hält, sind Ansagen für blinde Menschen die einzige Möglichkeit.
Türschließ-Signale: In vielen Situationen verschafft das sogenannte Zwei-Sinne-Prinzip Blinden und Sehbehinderten Sicherheit - eine Information darf nie nur visuell übermittelt werden. Etwa beim Bahnfahren: Schließen sich die Türen, muss das mit einem Ton signalisiert werden, damit das Ein- und Aussteigen gefahrlos möglich ist. Der DBSV bedauert, dass es in Deutschland noch kein akustisches Signal gibt, das Blinden eindeutig die Position einer Tür anzeigt. Entsprechende Systeme seien aber in der Erprobung.
Taktile Beschriftungen: Wer in einigen größeren Bahnhöfen Treppen benutzt, findet an den Handläufen tastbare Markierungen. Am Treppenanfang gibt es dort einen Hinweis auf die Gleis-Nummern, am Ende steht, auf welcher Seite sich welches Gleis befindet. Taktile Beschriftungen sind oft auch an den Türen öffentlicher Institutionen wie Behörden angebracht, in komplexen Gebäuden helfen Blinden häufig tastbare Übersichtspläne weiter.
Taktile Modelle: Von einzelnen Gebäuden bis hin zu Stadtvierteln stehen vielerorts Sehenswürdigkeiten als Modelle zum Anfassen. Beispielhaft nennt der DBSV den Mini-Reichstag im Maßstab 1:100 und dazugehörige Modelle, wie der Gebäudequerschnitt, an dem sich mit den Händen das Innere erkunden lässt, und ein Umgebungsrelief. Auch die Berliner Museumsinsel gibt es im Kleinformat zum Ertasten. Für Blinde können diese Miniaturen touristische Highlights sein.