Ottos Erben: Neue Technologien für den Benzinmotor

Wuppertal/Lyon (dpa/tmn) - Elektromotor, Brennstoffzelle, Wasserstoffantrieb - in der Diskussion über die Antriebstechnologie für das Auto von Morgen spielt der konventionelle Benzinmotor kaum noch eine Rolle.

Zu unrecht, wie die Entwicklung zeigt.

Angesichts des Hypes um Elektroantriebe beim Auto mag es verwundern: Der Benziner ist noch ein großes Thema in den Entwicklungsabteilungen. In letzter Zeit wurde gerade aus Ottomotoren mit immer kleineren Hubräumen mittels Aufladung immer mehr Leistung geholt - bei sinkenden Verbrauchswerten. Und selbst ein Boom von Hybrid- oder Range-Extender-Fahrzeugen käme dem von Nikolaus Otto erfundenen Prinzip des fremdgezündeten Hubkolbenmotors zu Gute. Denn: Auch diese Autos brauchen neben der Elektro-Maschine einen - möglichst effizienten - Verbrennungsmotor.

„Auch in den nächsten Jahrzehnten wird die Mehrheit der Autos mit Verbrennungsaggregaten fahren“, sagt etwa VW-Chef Martin Winterkorn. Kaum ein anderer Autohersteller würde wohl widersprechen. Denn Entwickler, Manager und Analysten sind sich einig, dass die elektrische Revolution vergleichsweise langsam vonstatten gehen wird - reine E-Fahrzeuge also erst allmählich die Straßen erobern werden.

So geht die Entwicklung der Benziner weiter: „Die Aggregate werden kleiner, komplexer, sparsamer und abgasärmer sein“, prognostiziert Sebastian Schilling, der beim Zulieferer Delphi in Wuppertal die Entwicklung von Einspritzsystemen leitet. Vor allem „homogene Benzineinspritzung und strahlgeführte Einspritzung“ versprächen ganz erhebliches Potenzial. „Insgesamt ist eine Verbrauchseinsparung um gut 20 Prozent realisierbar.“

Die Direkteinspritzung ist die Kerntechnologie, die schon in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Fortschritt bei den Benzinern geführt hat. Kombiniert mit einer Aufladung mittels Turbolader oder Kompressor erlaubt sie ohne Leistungseinbußen geringere Hubräume und den Verzicht auf mehrere Zylinder. Während Leistung und Drehmoment steigen, geht der Verbrauch deutlich zurück.

„So erreicht man die Leistungsdaten eines V8 und den Verbrauch eines Vierzylinders“, umreißt ein Mercedes-Entwickler in Stuttgart den Reiz des als Downsizing bekannten Prinzips. Der Trend begann bei den großvolumigen Motoren in der Oberklasse und ist mittlerweile bei den Kleinwagen angekommen: Im Fiat 500 reicht zum Beispiel ein Zweizylinder mit 0,9 Litern Hubraum für 63 kW/85 PS.

Was auch ohne Downsizing möglich ist, zeigt die neue Motorenfamilie SkyActive von Mazda. Sie soll zum Jahreswechsel den neuen CX-5 antreiben und 15 Prozent weniger Sprit benötigen. Dafür haben die Japaner das Gewicht reduziert und die Verdichtung erhöht. „Das verbessert das Verbrennungsverhalten des unverändert zwei Liter großen Motors“, sagt Sprecher Jochen Münzinger.

Doch auch ganz neue Prinzipien für Verbrennungsmotoren werden erdacht. So entsteht an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) gerade ein Druckluft-Hybrid-Motor: Dabei nutzen die Schweizer die Kompression eines Vierzylinders. Er produziert im Leerlauf Druckluft, die in einem separaten Tank gespeichert und immer dann eingesetzt wird, wenn der Turbolader noch nicht genügend Druck aufbaut. So lässt sich das lästige Turboloch füllen.

Ein ähnlich unkonventionelles Konzept ist der „Split-Cycle-Motor“ der Firma Scuderi. Er arbeitet mit Doppelkolben: Der eine Zylinder sorgt für das Ansaugen und Verdichten, der zweite für Verbrennung und Gasausstoß. Beim Otto-Prinzip finden alle vier Schritte in einem Zylinder statt. Das Scuderi-Prinzip führte in Simulationen und Prüfstandstests zu Verbrauchseinsparungen von 35 Prozent.

Bereits auf der Straße sind die Motoren des französischen Entwicklers Vianney Rabhi - allerdings nur in Testwagen. Seine Firma MCE-5 will der variablen Verdichtung zum Durchbruch verhelfen. Je größer der Druck vor dem Zünden ist, desto größer ist bei wenig Gas die Leistungsausbeute. Allerdings lässt sich diese Kompression nicht grenzenlos erhöhen, weil es sonst vor allem bei Vollgas zur unkontrollierten Selbstzündung, dem Klopfen, kommt. „Während des Teillastbetriebes könnte die Verdichtung allerdings ohne Klopfrisiko angehoben werden, um so die Effizienz zu steigern“, erläutert Rabhi.

Um den Druck nun weitgehend variieren zu können, hat der Entwickler einen speziellen Aufbau für Kolben und Pleuel entwickelt, mit dem die Größe der Brennkammer variiert werden kann. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Obwohl der mit einem Turbo beatmete Testmotor nur 1,5 Liter Hubraum hat, kommt er auf 160 kW/217 PS und erreicht mit 420 Nm das Drehmoment eines V8-Motors. Trotzdem soll der Verbrauch in einer Mittelklasselimousine unter sechs Litern liegen: „Das sind gut 30 Prozent weniger als bislang üblich.“