Schleuderschutz und Co.: Das gilt ab November für Neuwagen
München (dpa/tmn) - Moderne Autos haben immer mehr Sicherheitssysteme an Bord, die Unfälle verhindern oder deren Folgen mindern können. Zwei davon sind künftig für alle Neuwagen vorgeschrieben.
Neuwagen ohne Reifendruckkontrollsystem (RDKS) und Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) sind ab dem 1. November 2014 nicht mehr zulassungsfähig. Unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit bringt die Technik, die an sich nicht mehr neu ist, klare Vorteile. Doch finanziell kann sie für Verbraucher von Nachteil sein. Kfz-Experten beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.
Für welche Fahrzeuge gilt die RDKS- und ESP-Pflicht?
Die automatische Reifendruckkontrolle ist für alle typgenehmigten Fahrzeuge der Klasse M1, also Personenkraftwagen und Wohnmobile, mit Erstzulassung ab November 2014 vorgeschrieben, erklärt Jürgen Wolz vom TÜV Süd. Die ESP-Pflicht gelte mit wenigen Ausnahmen für alle typgenehmigten Fahrzeuge der Klassen M, N und O - das sind Pkw, Lastwagen, Busse und Anhänger. Die entsprechende EU-Verordnung (661/2009) wurde im Juli 2009 erlassen.
Wie funktioniert die Reifendruckkontrolle?
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von RDKS: direkt und indirekt messende Systeme. „Bei direkt messenden Systemen ist jeder Reifen mit eigenen Sensoren ausgestattet, die Reifendruck und Temperatur messen und über Funk an das Fahrzeug weitergeben“, erläutert Dekra-Sprecher Wolfgang Sigloch. Die Daten werden dem Fahrer gegebenenfalls im Cockpit angezeigt, bei zu niedrigem Reifendruck wird er gewarnt.
Indirekt messende Systeme nutzen die vorhandenen Sensoren des Antiblockiersystems (ABS) und des Schleuderschutzes (ESP) und stellen so Veränderungen des Reifendrucks anhand der Raddrehzahl fest. Sie müssen „angelernt“ und entsprechend programmiert werden, denn das Fahrzeug muss wissen, welche Drehzahl bei korrektem Reifendruck erreicht wird, um Abweichungen feststellen zu können. Systeme dieser Art waren laut Sigloch Mitte der 90er Jahre erstmals verfügbar.
Und wie arbeitet das ESP?
Das ESP wirkt etwa bei einem harten Ausweichmanöver durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder dem Ausbrechen des Fahrzeugs entgegen. Spätestens seit dem sogenannten Elchtest mit der ersten A-Klasse von Mercedes im Jahr 1997 ist ESP den meisten ein Begriff: „Das Ausbrechen und Umkippen der A-Klasse hatte damals dazu geführt, dass Mercedes die A-Klasse serienmäßig mit ESP ausstattete“, berichtet Wolz. Bereits 1995 hatte Mercedes als erster Autobauer den Schleuderschutz in seine S-Klasse eingebaut - von ihm stammt übrigens auch die gängige Abkürzung, bei anderen Herstellern heißt das System zum Beispiel DSC, VSC oder DSTC.
Was geschieht mit Neuwagen ohne die Systeme bei den Händlern?
Fahrzeuge, die die EU-Verordnung nicht erfüllen und nicht einfach nachgerüstet werden können, brauchen eine Erstzulassung vor dem Stichtag 1. November. Händler, die noch auf solchen Autos sitzen, können dafür zum Beispiel eine Tageszulassung nutzen. Wolz rechnet gegen Ende Oktober mit einem Anstieg solcher Tageszulassungen - diese Fahrzeuge gibt es dann günstiger als Gebrauchte mit null Kilometern auf dem Zähler zu kaufen. Wer hier allerdings nur aufs Geld schaut und sich ein Auto ohne ESP zulegt, sollte sich der Einbußen bei der Sicherheit bewusst sein.
Kann die Ummeldung von Autos ohne ESP und RDKS Probleme machen?
Nein. Wenn die Erstzulassung bis zum 31. Oktober 2014 erfolgt ist, sind Ummeldung und Wiederzulassung das ganze Autoleben lang möglich. „In der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung gilt der Grundsatz, dass Fahrzeuge immer die Vorschriften erfüllen müssen, die zum Zeitpunkt ihrer Erstzulassung gegolten haben“, erläutert Wolz. „Sonst dürften heute keine Oldtimer mehr fahren, da sie die aktuell geltenden Vorschriften nicht erfüllen.“
Werden Neuwagen durch die EU-Verordnung teurer?
Im Pkw-Bereich haben die meisten Neufahrzeuge den TÜV-Angaben nach bereits serienmäßig ESP an Bord. Nur im Kleinwagenbereich sei dies bei manchen Basismodellen noch ein aufpreispflichtiges Extra. Daraus ergeben sich laut Wolz bei diesen Modellen Mehrkosten von etwa 300 bis 500 Euro. Auch das RDKS bauen inzwischen die meisten Hersteller serienmäßig ein, oft als indirekt messendes System. Muss ein direkt messendes RDKS nachgerüstet werden, werden nach Einschätzung des ADAC 250 bis 300 Euro für die Sensoren plus etwa 50 Euro für Einbau und Programmierung fällig. Diese Kosten fallen auch für Winterräder an, die mit RDKS-Sensoren ausgestattet werden müssen.
Machen die Systeme den Verkehr sicherer?
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) begrüßt die RDKS- und ESP-Pflicht. „Die vielen Reifenteile, die man auf den Autobahnen sieht, stammen in der Regel von Fahrzeugen, die mit zu geringem Luftdruck unterwegs waren“, gibt Welf Stankowitz, DVR-Experte für Fahrzeugtechnik, zu bedenken. „Der Reifen wird dann heiß, und die Lauffläche löst sich ab.“ Und nicht nur solche Reifenplatzer seien gefährlich: Mangelnder Luftdruck gehe auch zulasten des Bremswegs und der Fahrstabilität. Nach DVR-Erkenntnissen hat mehr als jeder vierte Pkw auf deutschen Straßen zu schlaffe Reifen - das RDKS sei ein probates Mittel dagegen.
Da das ESP schon lange im Einsatz ist, haben laut Stankowitz inzwischen viele Untersuchungen gezeigt, dass dieses System Unfälle verhindert oder zumindest deren Folgen mildert, indem ein Wagen zum Beispiel nicht mit der wenig geschützten Fahrzeugseite, sondern mit der größeren Knautschzone an der Front gegen einen Baum prallt. Auch wenn in Deutschland der freiwillige Einbau von ESP weit fortgeschritten ist, schließe die ESP-Pflicht eine Gefahrenlücke.