Schrumpfkurs und Stromschlag: Das Autojahr 2013 im Rückspiegel
Berlin (dpa/tmn) - Welch ein Autojahr: Der Elektroantrieb bekommt doch noch Auftrieb, das Downsizing bei Motoren und Karosserien erreicht neue Dimensionen, der Autopilot hat zu Demonstrationszwecken schon mal im Pkw Platz genommen.
Und einige Modellneuheiten gab es auch.
War das der Anfang vom Ende? Gut möglich, dass wir in 20 Jahren im Auto alle nur noch Passagier sind und die eigentliche Arbeit einem Autopiloten überlassen. Und wenn sich Historiker fragen, an welchem Punkt sie diese Entwicklung festmachen, dann spricht viel für die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) im September 2013, als sich Mercedes-Chef Dieter Zetsche von einer S-Klasse ohne Fahrer auf die Bühne chauffieren ließ.
Der Prototyp, der zuvor schon fahrerlos von Mannheim nach Pforzheim rollte, ist eines der Highlights im Autojahr 2013 und steht für den vielleicht wichtigsten Techniktrend des Jahres: „Autonomes Fahren ist keine Utopie mehr, sondern auf dem Weg in die Wirklichkeit“, sagt Automobilexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Neben Mercedes arbeiten auch andere Hersteller am Fahren ohne Piloten.
Eine weitere markante Entwicklung des Jahres 2013 war der lange erwartete Auftritt echter Elektroautos, sagt der Kölner Designprofessor Paolo Tumminelli mit Blick auf BMW i3 und Tesla Model S. „So sieht die Zukunft des Automobils aus“, ist er überzeugt. Und Ferdinand Dudenhöffer, Automobilwirtschaftler an der Universität Duisburg-Essen, lobt: „Autos wie der i3 und das Model S sind ein bisschen wie der Unterschied zwischen iPhone und Tastenhandy.“ Er ist überzeugt, dass solche E-Autos als neue Premium-Gattung erfolgreich werden.
Aber auch auf den Volumenmarkt der Elektroautos kam Bewegung. Darauf weist Autoexperte Thorsten Wagner von der EBS Universität in Oestrich-Winkel hin: Als Gegenentwurf zum extrovertierten i3 elektrisierte VW seine Volumenmodelle Up und Golf und gab damit ebenfalls einen deutlichen Impuls.
Bei allem Lob fürs Konzept: Für den Absatz von E-Autos machen die Experten noch keine großen Hoffnungen - zumindest nicht für den deutschen Markt: „Wir sind in dieser Disziplin zum Schlusslicht geworden. Länder wie die USA, Frankreich, England, Holland oder Norwegen lassen Deutschland in der Elektromobilität alt aussehen“, klagt Dudenhöffer und macht die aus seiner Sicht mangelnde Förderpolitik und fehlenden Kaufanreize dafür verantwortlich.
Zudem habe die Kundenzurückhaltung weitere Folgen: „Die Unternehmen in Deutschland springen vom Elektrozug wieder ab: Siemens stellt die Fabrikation von Ladesäulen ein, RWE und EON stoppen den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur, Evonik stellt seine Joint-Ventures für Lithium-Ionen Batterien zum Verkauf, und Audi rollt seine oft bei Messen gezeigten e-Trons ohne Umweg über die Händler ins Museum“, so Dudenhöffer.
Ein weiterer Trend im Jahr 2013 war das Downsizing, sagt Designprofessor Lutz Fügener von der Fachhochschule Pforzheim und meint damit gleichermaßen Auftritt und Antrieb neuer Modelle: „Geländewagen erscheinen mehr und mehr in verträglichen Dimensionen, und die Motoren werden immer kleiner.“ Wenn BMW im 5er mit einem Dreizylinder liebäugele, im nächsten Ford Mondeo ein 1,0-Liter-Motor komme und man einen Toyota GT86 auch mit nur 147 kW/200 PS als echten Sportwagen akzeptiere, dann müsse jetzt allerdings auch seine Zunft nachlegen: „Man sollte schnellstmöglich die entsprechenden Konsequenzen im Design ziehen.“
Doch die Autodesigner waren im Jahr 2013 nicht untätig: Nach Ansicht von Tumminelli hatten die Engländer das beste Händchen. Für den Design-Experten gehören Modelle wie der Jaguar F-Type, der Range Rover, der McLaren P1 oder der Rolls Royce Wraith zu den „coolsten Autoneuheiten“ des Jahres - sie alle kommen von der Insel.
Auch einzelne Modelle werden nachhaltig in Erinnerung bleiben. Ins Jahrbuch gehören wichtige PS-Premieren wie die Mercedes S-Klasse unter den Luxuslimousinen, der Alfa Romeo 4C als sportlicher Lebensbeweis der italienischen Traditionsmarke, die siebte Generation der Chevrolet Corvette und der sechste Ford Mustang. In der Kompaktklasse machte als vielleicht attraktivste Modellneuheit der Mazda3 von sich reden.
Bei Umweltschützern nicht gern gesehen, wuchs die Sparte der spritdurstigen SUVs weiter. Messepremieren feierten in diesem Segment der renovierte BMW X5, der Porsche Macan als Alternative zum größeren Cayenne oder der Ford EcoSport als Vertreter der noch recht jungen Mini-SUVs.
Zwar gab es 2013 mehr als 100 neue Autos. Doch das Jahr steht auch für den schleichenden Abschied von so mancher Legende. So hat Land Rover in diesem Sommer noch einmal groß den 65. Geburtstag des Defender gefeiert, nur um kurz darauf für 2015 das Produktionsende des Allrad-Klassikers zu verkünden.
Und bei VW in Brasilien wurde nach 63 Jahren die Produktion des „Bulli“ eingestellt. Bis in die Gegenwart wurde der T2 in Südamerika tatsächlich noch gefertigt. Doch auch wenn es so langsam eng wird für die Dinosaurier aus Blech, leben manche Legenden offenbar länger: Mercedes zum Beispiel hat 2013 mehr G-Klasse-Modelle verkauft als je zuvor in der 1979 begonnenen Modellgeschichte - und kurzerhand noch einmal die Fabrik modernisiert.