Sprachsteuerung macht das Auto hörig

Ulm (dpa) - Nach links und rechts lenken kann der Autofahrer per Sprachsteuerung noch nicht. Mehr Systeme sollen aber in Zukunft mit der Stimme zu steuern sein - daran arbeiten Firmen wie Nuance. Doch könnten die bisherigen technischen Lösungen bald an Grenzen stoßen.

Wenn Mensch und Auto miteinander kommunizieren, passiert das meist per Tastendruck oder Kippschalter. Doch Patrick Langer kann sich im Testwagen den Rock-Klassiker „Satisfaction“ von den Rolling Stones abspielen lassen, indem er den Computer am Armaturenbrett anspricht. Und tatsächlich: Wenige Sekunden nach Langers Bitte ertönt der Hit im Auto.

Die amerikanische Firma Nuance stellt sich die Zukunft der mobilen Telekommunikation unter anderem so vor, dass Menschen die Hände freihaben und selbst im Auto immer und überall online sind. In Ulm tüfteln Experten des Unternehmens wie Langer daran.

„Wenn ein Mensch sein Mobiltelefon per Stimme steuern kann, verlangt er das in Zukunft auch in seinem Auto“, sagt Arnd Weil, Leiter des Nuance-Bereichs Automotive. Eine große Anforderungen sei etwa, dass der Computer erkenne, wer gerade spricht - wenn zum Beispiel eine sechsköpfige Familie auf dem Weg in den Urlaub sei.

„Eine Markteinführung klappt erst dann gut, wenn die Fehlerquote minimal ist, das ist ähnlich wie bei der Einführung von berührungsempfindlichen Bildschirmen“, betont Gerhard Rigoll vom Lehrstuhl für Mensch-Maschine-Kommunikation an der TU München. Bereits seit rund 20 Jahren arbeiten Unternehmen und Wissenschaftler daran, die Sprachsteuerung breiter einzusetzen. Doch erst neueste Entwicklungen wie die Sprachsteuerung „Siri“ bei Apples iPhone 4S zeigten, dass es mittlerweile erhebliche Fortschritte gebe, sagt Rigoll.

Der im Burlington im US-Staat Massachusetts ansässige Konzern Nuance gilt als eines der wichtigsten Unternehmen der Branche. Ein bekanntes Produkt ist die Dragon-Diktiersoftware, die auf dem Computer oder auf dem Smartphone genutzt werden kann - und aus gesprochener Sprache Texte erzeugt. „Wir sind auch Lieferanten für Apple, Genaueres darf ich nicht sagen“, sagt Weil.

Bei ihren derzeitigen Modellversuchen im Auto sind die Nuance-Entwickler so weit, dass Langer auch eine Skype-Nachricht oder eine E-Mail diktieren kann. Wenn er etwa sagt: „Hallo Judith, ich bringe Käse und Bier mit“, versteht ihn die Software relativ schnell. Sie fragt, ob er die Nachricht senden will. Er kann sie auch per Stimme löschen. In diesem Versuch nimmt der ausgebildete Psychologe allerdings noch eine Hand zur Hilfe, um einen Drehknopf zu bedienen.

„Die Kombination von Sprache, Tasten, Gesten oder Mimik ist eine denkbare Lösung“, sagt der Steuertechnikexperte Rigoll. Somit könnte ein falsches Verhalten des Computers verhindert werden, das immer noch vorkommt. „Zwar wird die Spracherkennung besser, je mehr ich sie mit Daten füttere; aber es gibt eben keine Reaktion wie bei einem Menschen, mit dem ich mich unterhalte.“

Manche Forscher versuchten, komplexe Prozesse im Gehirn nachzuvollziehen, erklärt Rigoll. „Aber das kann noch Jahrzehnte dauern, eh das technisch anwendbar ist.“