Studie kritisiert Herstellerangaben zum Spritbedarf

Berlin/Stuttgart (dpa) - „Labor“ oder „Realität“? Eine Studie stellt erneut die Spritverbrauch-Angaben der Hersteller und unabhängige Tests gegenüber. Ergebnis: Die Autobauer weichen immer mehr vom wahren Verbrauch ab.

Die weisen die Vorwürfe jedoch zurück.

Die meisten Autos schlucken einer neuen Studie zufolge deutlich mehr Kraftstoff, als die Hersteller versprechen. Im Schnitt liege der wirkliche Verbrauch 25 Prozent über den in offiziellen, in Testverfahren ermittelten Angaben, wie eine aktuelle Untersuchung des International Council of Clean Transportation (ICCT) ergab. Außerdem werde im Schnitt auch nur die Hälfte der in den Tests über die Jahre angegebenen CO2-Verbesserungen tatsächlich auf der Straße erreicht.

Hauptproblem sei das Testverfahren, der „Neue Europäische Fahrzyklus“ (NEFZ), so der Vorwurf der Studie. Die Hersteller optimierten in diesen Tests ihre Fahrzeuge, in dem sie spezielle Schmierstoffe und Reifen verwendeten, verbrauchsfreundlich schalteten und die Bremsen manipulierten, um den Rollwiderstand zu verringern. Der Vorwurf ist nicht neu: ADAC und Umwelthilfe kritisierten schon früher, dass die ermittelten Werte nicht dem auf der Straße erreichten Verbrauch entsprächen. Laut ADAC nutzen die Hersteller den Spielraum, der ihnen gelassen werde.

Die Autohersteller wehren sich gegen die Vorwürfe: „Die Gegenüberstellung des NEFZ mit der "Realität" ist wenig aussagekräftig“, sagte ein Sprecher der Verbands der Automobilindustrie (VDA). Der NEFZ sei ein von der EU vorgegebener und zertifizierter Test und entspreche nicht dem Fahrprofil eines einzelnen Autofahrers. Die Autos werden nicht auf der Straße, sondern auf dem Rollenprüfstand getestet. Gegen geltendes Recht würde damit nicht verstoßen, so der Sprecher. Im Gegenteil: Dass die Klimaanlage ausgeschaltet werde, sei beispielsweise Vorgabe der EU. Bei konstanten 80 Stundenkilometern könne ein Autofahrer die NEFZ-Werte durchaus unterschreiten, so der Sprecher. Im Stau liege er aber auch darüber.

Das Thema gewinnt derzeit deshalb an Aufmerksamkeit, weil in Brüssel die künftigen Grenzwerte für den CO2-Ausstoß diskutiert werden. Derzeit laufen Gespräche von Vertretern der EU-Staaten, des EU-Parlaments sowie der EU-Kommission. Die irische EU-Ratspräsidentschaft will eine Einigung bis Ende Juni. Nach den bisherigen Plänen soll der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) in der EU bis zum Jahr 2020 auf im Durchschnitt 95 Gramm je Kilometer für die Neuwagenflotte der Hersteller sinken. Das entspricht rund vier Litern Benzinverbrauch. Derzeit gilt ein Zielwert von 130 Gramm.

Diese Werte werden derzeit durch den in der ICCT-Studie kritisierten NEFZ-Testzyklus ermittelt. Ein neues Verfahren - namens Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedures (WLTP) - wird erarbeitet und soll den NEFZ ablösen. Das EU-Parlament will die neuen Testmethoden 2017 einführen. Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast forderte am Dienstag, das Tempo bei der Einführung des WLTP „deutlich zu erhöhen“. Die Autohersteller fordern hingegen, dass der NEFZ mindestens bis 2020 zur Ermittlung der CO2-Werte gilt. „Das wäre sonst, als würden mitten in einem Fußball-Spiel die Spielregeln geändert und mehr Spieler auf den Platz geschickt“, sagte der VDA-Sprecher.

Um die Spritkosten für die Verbraucher zu senken, ist Hilfe von anderer Stelle in Sicht: Die vom Kartellamt geplante Benzinpreismeldestelle soll innerhalb der nächsten acht Wochen die ersten Preisdaten melden. Kartellamtschef Andreas Mundt sagte bei einer Konferenz mit Vertretern der Mineralölwirtschaft und Informationsdienstleistern, nach einer Prüfphase sollten die Daten dann „so schnell wie möglich“ den Autofahrern zur Verfügung gestellt werden. Die Preisinformationen sollen über Smartphone-Apps, Navigationssysteme und das Internet zu den Autofahrern gelangen, damit diese die jeweils günstigste Tankstelle ansteuern können. ADAC-Präsident Peter Meyer hatte Anfang Mai bereits eine Benzinpreis-App des ADAC angekündigt.