Fahrbericht Ford Focus im Test: Aller guten Dinge sind vier
Berlin (dpa-infocom) - Der Ford Focus war lange das meistverkaufte Auto der Welt und gewinnt noch heute alle 48 Sekunden einen neuen Kunden. Viel Grund zu Bescheidenheit gibt es daher nicht für Ford - selbst wenn sich der Focus zumindest in Deutschland am VW Golf beharrlich die Zähne ausbeißt.
Kein Wunder also, dass die Kölner vor Selbstbewusstsein strotzen, wenn sie im September zu Preisen ab 18.700 Euro die vierte Generation auf den Markt bringen. Ein Testbericht.
Ambitionen auf die Spitze
Nicht weniger als das „beste Auto der Kompaktklasse“ verspricht der Hersteller und hat dafür noch einmal bei Null angefangen. Der Focus sei auf einem weißen Blatt Papier entstanden und von Grund auf neu entwickelt worden, versprechen die Ingenieure. Das erkennt man allerdings erst auf den zweiten Blick.
Denn so frisch und frech die Form mit der längeren Haube und dem steileren Heck auch sein mag, ist zumindest das Format gleichgeblieben. Nur ein paar Millimeter unterscheiden deshalb den alten vom neuen Focus. Mit einer kleinen Ausnahme, die einen großen Einfluss hat: dem Radstand. Ohne die Länge von 4,39 Metern ernsthaft zu ändern, wurde der um fünf Zentimeter gestreckt. Das spürt man vor allem in der zweiten Reihe, wo jetzt auch Erwachsene bequem sitzen.
Platz für Kind und Kegel
Selbst der Kofferraum hat noch einmal zugelegt und fasst nun 341 statt bislang 316 Liter. Wem das nicht reicht, der legt die Rückbank um und kann bis zu 1354 Liter laden. Und wer noch mehr Platz braucht, bekommt den Focus für exakt 1000 Euro Aufschlag auch wieder als Turnier. Anders als der Fünftürer ist der Kombi deutlich gewachsen, streckt sich um elf Zentimeter auf 4,67 Meter und bietet mit 575 bis 1653 Litern Ladevolumen entsprechend viel Stauraum.
Mehr Noblesse, weniger Knöpfe
Während die Hinterbänkler von der neuen Raumordnung profitieren, genießt man in der ersten Reihe vor allem das neue Ambiente. Denn Ford hat das Cockpit gründlich entrümpelt und jede Menge Knöpfe verbannt.
Zu Golf & Co fehlen dem Focus zwar die digitalen Instrumente. Doch gibt es jetzt einen großen, freistehenden Touchscreen, ein Infotainmentsystem mit Online-Navigation, WLAN-Hotspot und Sprachsteuerung sowie erstmals bei den Kölnern ein Head-Up-Display, das wichtige Informationen in die Blickachse projiziert.
Assistiert und beinahe autonom
Der ganze Stolz der Entwickler sind aber die vielen Assistenzsysteme, die Ford unter dem neuen Namen Co-Pilot360 bündelt und den Focus zum besseren Golf machen: So parkt der Kölner diesmal nicht nur alleine ein und aus oder hilft beim Ausweichen. Zum ersten Mal kämpft er sich mit Abstandsregelung und Spurführung auch weitgehend alleine durch den Stau und macht den Fahrer so zum Nebendarsteller.
Fahrfreude wird großgeschrieben
Auf einer vollen Autobahn mag man sich das gefallen lassen. Doch sobald die Bahn frei ist, nimmt man im Focus das Steuer gerne selbst in die Hand. Mit präziser Lenkung, strammem Fahrwerk und einer elektronischen Charakterregelung gehört er zu den agileren Autos seiner Klasse, die trotz familientauglichen Komforts ein hohes Maß an Fahrspaß bieten. Dafür leisten sich die Kölner sogar den Luxus und haben zwei unterschiedliche Hinterachsen entwickelt.
Vernünftige Motoren
Unter der Haube regiert die Vernunft: Zumindest zum Start gibt es bei den Benzinern nur Dreizylinder mit 1,0 oder 1,5 Litern Hubraum, die jedoch ihren Turbos sei Dank trotzdem eine Spanne von 63 kW/85 PS bis 134 kW/182 PS abdecken. Besonders gut macht sich dabei der Einliter mit 92 kW/125 PS, weil er für einen Dreizylinder ungewöhnlich leise läuft und mit 170 Nm genügend Kraft entwickelt, um den Focus flott in Fahrt zu bringen. Von 0 auf 100 in 10 Sekunden, bei Vollgas 200 km/h und im Mittel 4,8 Liter (CO2-Ausstoß 108 g/km).
Kein Allrad, keine alternativen Antriebe
Dazu kommen noch drei Diesel mit 1,5 oder 2,0 Litern Hubraum und 70 kW/95 PS bis 110 kW/150 PS. So fährt der beim Generationswechsel um bis zu zwei Zentner abgespeckte Focus im besten Fall 222 km/h schnell und kommt auf Verbrauchswerte, die bei den Benzinern bei 4,8 (CO2-Ausstoß 108 g/km) und bei den Dieseln bei 3,5 Litern (91 g/km) beginnen. Was bislang fehlt, sind alternative Antriebe und die Sport-Versionen. Und auch ein Allrad würde dem Focus gut zu Gesicht stehen. Aber immerhin gibt es nun eine neue Achtgang-Automatik.
Fazit: Das Handicap auf dem Golfplatz verbessert
Schlauer und schöner, sparsamer und sportlicher und obendrein das praktischere Auto - der Focus hat sein Handicap auf dem Golfplatz verbessert: Er kommt deutlich näher an den Primus aus Wolfsburg heran und ist ihm beim Platzangebot und den Assistenzsystemen zum Teil sogar überlegen. Nur in einem Punkt haben die Kölner freiwillig zurück gerudert: Beim Preis. Im Vergleich zum Vorgänger wird das neue Modell immerhin 200 Euro billiger.
Datenblatt: Ford Focus
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke