Notstand am Steuer: Wann man zu schnell fahren darf
Berlin (dpa/tmn) - Wer die Geschwindigkeit überschreitet, muss mindestens mit einem Bußgeld rechnen und in schwerwiegenden Fällen auch mit einem Fahrverbot. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel.
Gemäß Paragraf 16 des Ordnungswidrigkeitsgesetzes kann ein rechtfertigender Notstand bestehen: „Extremsituationen, in denen Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum besteht“, erklärt Hannes Krämer vom Auto Club Europa (ACE). Als Notstand kann gelten, wenn eine Frau beispielsweise in den Wehen liegt, wenn ein Beifahrer eine Herzattacke hat oder der Fahrer im Wagen Durchfall bekommt.
Wichtig ist, dass die Situation unerwartet eintritt. „Wer in der Vergangenheit schon öfter unter Durchfall am Steuer gelitten hat, kann schließlich Vorsorge treffen“, sagt Krämer. In der Regel ist die Notsituation schwer nachzuweisen. Betroffene sollten sich deswegen einen Besuch im Krankenhaus bestätigen lassen. Eine festgestellte Erkrankung sollte mit einem Attest belegt werden.
Wer geblitzt wird, bekommt zunächst einen Bußgeldbescheid. Dagegen kann im Fall einer Notsituation Einspruch eingelegt werden. Reichen die Beweise aus, kann das Verfahren bereits an dieser Stelle eingestellt werden. „In der Regel ist aber damit zu rechnen, dass solche Fälle vor dem Amtsgericht landen“, sagt Krämer. Dort muss sich dann der Angeklagte erklären - und dem Richter bestenfalls glaubhaft darlegen, weswegen er gegen die Regeln verstoßen hat.
Das ist einem Fahrer 2014 nicht gelungen, als er vor dem Amtsgericht Lüdinghausen eine massive Geschwindigkeitsübertretung erklären sollte. Auf einer Strecke mit einem Limit von 70 Kilometern pro Stunde fuhr er 132 km/h (Az.: 19 OWi-89 Js 155/14-21/14). Zwar glaubte das Gericht dem Fahrer, dass er wegen Durchfalls Grund hatte, zu schnell zu fahren. Da der Fahrer jedoch angab, schon zuvor einen Druck im Darm verspürt zu haben, hätte er laut Gericht anders handeln müssen. Er musste eine Strafe von 315 Euro zahlen, der Führerschein wurde ihm für einen Monat entzogen. „Im Endeffekt hängt es immer vom Richter selbst ab, ob er den konkreten Fall als Notsituation einstuft“, sagt Krämer.