Vom Goggomobil zum SUV: Ausstellung zu 60 Jahre Mini-Auto
München (dpa) - Massig schieben sich Limousinen über Deutschlands Straßen. Die dicken Wagen strahlen Prestige aus. In den 1950ern waren hingegen Klein- und Kleinstwagen der Renner. Das Verkehrszentrum des Deutschen Museums widmet dem Mini-Auto zum 60. eine Ausstellung (bis 18. Oktober 2015).
Zu den einst beliebten Kleingefährten gehörten die Isetta von BMW, die Kabinenroller der Flugzeugbauer Messerschmitt und Ernst Heinkel - und das Goggomobil der Hans Glas GmbH im bayerischen Dingolfing, später von BMW gekauft. Winzig und oft pastell lackiert sieht es kindlich-niedlich aus. Die Farben waren neben zeitlosem Rot Mintgrün, Hellblau, Saharabeige - heute: cremefarben - und Maquillage (Französisch: Schminken). Das ist eine Art helles Braun, das völlig von den Straßen verschwunden ist.
20 Modelle und damit fast die gesamte Fahrzeugpalette, größtenteils von Liebhabern des Glas Club International, versetzen in die Zeit zurück. Auch ein gelbes Postauto ist dabei. Sein Besitzer fahre noch heute damit bis nach Spanien, sagt der Club-Vorsitzende Uwe Gusen.
Keine Klimaanlage. Kleine Reifen. Wenig Beinfreiheit. Das Fahrgefühl: Eine Mischung aus Go-Kart und Trabi, schon wegen des Zweitaktmotors. Wer vor dem Goggo T 250 steht, rätselt, wie eine vierköpfige Familie darin Platz fand. Von der schmalen Rückbank bleiben kaum 15 Zentimeter zum Vordersitz. Waren die Menschen wirklich kleiner - oder nur bescheidener? „Damals war das Publikum eben noch weniger platzverwöhnt“, sagt Museumsleiterin Bettina Gundler. Das Goggo stehe für den Wandel Deutschlands zu Mobilität und Konsumgesellschaft.
Endlich ein eigenes Auto - das wollten die Deutschen schon in der Weimarer Republik. Aber zuerst kamen Roller und Motorräder. „In den späten 1930er Jahren fuhr die Hälfte aller Motorräder, die weltweit unterwegs waren, in Deutschland“, sagt Museums-Kurator Frank Steinbeck. „Ein Grund war sicher die großzügige Gesetzgebung in den 1920er Jahren.“ Motorräder bis zu einem Hubraum von 200 Kubikzentimetern waren steuerfrei, ohne Führerschein zu fahren und um die 80 Stundenkilometer schnell.
Die NS-Propaganda griff die Sehnsüchte des Volkes nach dem Auto auf. Bei der Automobilausstellung 1934 verlangte Adolf Hitler von den Herstellern einen „Volkswagen“: „Es muss möglich sein, dem deutschen Volk einen Kraftwagen zu schenken, der im Preis nicht mehr kostet als früher ein mittleres Motorrad, und dessen Brennstoffverbrauch mäßig ist.“ Ende der 1930er Jahre entstand in Wolfsburg das Volkswagenwerk. Der Krieg hemmte die Produktion, aber danach ging es aufwärts. „Wirtschaftliche Entwicklung ist stark verknüpft mit dem Auto“, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Das ist ein Grund, warum das in Afrika nicht so richtig funktioniert.“
Als das Goggo 1955 auf den Markt kam, traf das drei Meter lange Gefährt mit 14 PS, 250 Kubikzentimetern Hubraum und einem Preis unter 3000 Mark die Bedürfnisse der Menschen. Es durfte mit Kleinkraftrad-Führerschein gefahren werden. „Das war der Ersatz für das Motorrad“, sagt Gusen. Das Goggo habe gegenüber Isetta und Kabinenroller auch am ehesten ausgesehen wie ein richtiges Auto. Es wurde mit 250 000 Exemplaren der meistverkaufte Wagen seiner Klasse.
VW Käfer, Fiat Cinquecento, Ente und Renault 4 lagen eine Klasse höher. Auch Glas baute besser ausgestattete Autos. Ein Coupé ist in der Ausstellung zu sehen und ein Glas 1304 TS mit 85 PS. „Das war der Golf GTI der 1960er Jahre“, sagt Gusen. Oder die Luxusvariante Glas 2600 V8 mit 150 PS, acht Zylindern und bis Tempo 195 schnell.
Die Käuferschaft spaltete sich in jene, die sich solche Karossen leisten konnten. Und kleine Leute mit Kleinwagen. „Es gab einige, die verdienten gutes Geld, aber viele, die wenig Geld hatten“, sagt Dudenhöffer. „Im Laufe der Zeit hatten die Menschen mehr Geld und die Autos sind gewachsen.“ Aus den USA kam nach den Straßenkreuzern die SUV. Ihr Anteil stieg seit 1995 von zwei auf fast 20 Prozent.
Neu entdeckt wurden mit Smart und Mini auch Kleinstwagen. Autobauer brauchten sie nicht zuletzt wegen der CO2-Vorgaben, sagt Dudenhöffer. Der Marktanteil sei überschaubar, aber das Image habe sich gewandelt. „Klein war früher hässlich und arm.“ Inzwischen könne es exklusiv und Premium sein. „Heute kann sich der Reiche am Golfplatz mit Kleinwagen sehen lassen. Früher musste er ums Eck parken.“ Das Scheitern mancher Modelle habe aber auch gezeigt: „Billig allein funktioniert nicht.“
Das Goggomobil freilich bleibt sogar als Oldtimer günstig. Kosten andere Fahrzeuge dieser Klasse 20 000 bis 25 000 Euro, so muss der Goggo-Liebhaber laut Gusen „nur“ 10 000 Euro hinblättern.