Verkehr Wildunfälle — die Gefahr lauert in der Dämmerung

2014 wurden in Nordrhein-Westfalen 309 schwere Unfälle registriert. Die Bilanz: Ein Toter, 72 schwer und 223 leicht verletzte Personen.

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Düsseldorf. Ein Reh steht plötzlich auf der Straße, ein Pkw-Fahrer versucht, auszuweichen: Wegen Wildwechsels sind bei einem Autounfall bei Ahlen (Kreis Warendorf) zwei Menschen verletzt worden. Nach Polizeiangaben kam der Pkw des 25-jährigen Fahrers am Donnerstagabend von einer Landstraße ab und erst nach 30 Metern im Wald zum Stehen. Dabei verletzte sich der Autofahrer leicht, seine Beifahrerin (22) schwer. Sie wurden in ein Krankenhaus gebracht.

Die Gefahr von Wildunfällen steigt im Herbst und Winter dramatisch. Vor allem während der Morgen- und der Abenddämmerung kommt es zu häufigen Wildwechseln — mit zum Teil fatalen Folgen. Bundesweit sind im vergangenen Jahr 35 Menschen bei Wildunfällen tödlich verunglückt. „In Nordrhein-Westfalen wurden 2014 genau 309 Unfälle mit Wild registriert“, wie Wolfgang Beus, Sprecher des NRW-Innenministeriums, erklärt. Gezählt werden in dieser Statistik allerdings nur schwerere Unfälle, leichte Sachschäden werden nicht erfasst. Die Bilanz: Ein Toter, 72 schwer und 223 leicht verletzte Personen.

Das Polizeipräsidium Wuppertal, auch zuständig für Solingen und Remscheid, führt eine Einsatzstatistik in Sachen Wildunfälle. „Wir hatten in diesem Bereich 2015 bereits fast 200 Einsätze“, sagt Polizeisprecherin Anja Meis. Bei schweren Unfällen wurden unter anderem zwei Motorradfahrer in Solingen und Remscheid erheblich verletzt, als sie mit Rehen kollidierten.

Die mit Abstand meisten Unfälle ereignen sich mit Rehen. „Rund ein Drittel der jährlich zwischen 25 000 und 30 000 in NRW gestorbenen Rehe sind dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen“, sagt Andreas Schneider, Sprecher des Landesjagdverbands. Er appelliert an die Autofahrer, vor allem auf eine angemessene Geschwindigkeit zu achten, um Unfälle zu vermeiden. Steht aber ein Reh bereits in Schockstarre im Scheinwerferlicht, sollte der Fahrer — wenn möglich — die Hupe betätigen, so Schneider, um den Fluchtinstinkt des Tieres zu wecken. „Nicht die Lichthupe verwenden“, rät der Düsseldorfer Polizeisprecher Marcel Fiebig. Wildtiere seien fasziniert von Licht, „die werden geradezu magisch davon angezogen“, so Fiebig. Auch sei große Vorsicht angesagt, wenn man ein Reh am Straßenrand erblickt. „Man muss immer damit rechnen, dass weitere folgen“, sagt Fiebig.

Wenn ein Unfall nicht zu vermeiden ist, rät Schneider: „Bloß nicht ausweichen, das erhöht das Risiko für den Fahrer um ein Vielfaches.“ Dann müsse die Geschwindigkeit kontrolliert so weit wie möglich vermindert werden. Schneider: „Ein Menschenleben ist wichtiger als ein Tierleben.“ Dass Ausweichen die schlechteste Reaktion auf ein über die Straße laufendes Tier ist, zeigt ein tragischer Fall, der sich Anfang Oktober in Heinsberg zugetragen hat. Eine 18-jährige Fahranfängerin war zu Tode gekommen — weil sie einem Dachs ausweichen wollte. Ihr Wagen kam von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Die 18-Jährige starb noch an der Unfallstelle. Die anderen drei Insassen erlitten schwere Verletzungen.

Wenn ein Reh angefahren wird, ist es für den Fahrer laut Schneider mittlerweile gesetzliche Pflicht, den Unfall bei der Polizei zu melden. Ansonsten begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld be-straft werden kann. Hintergrund ist natürlich der Tierschutz. „Auch wenn ein Tier scheinbar unverletzt flüchtet, kann es innere Verletzungen haben und später qualvoll verenden“, erklärt Schneider. Die Polizei informiert in solchen Fällen einen Jäger, der zusammen mit einem Spürhund dem Wild nachgeht und kontrolliert, wie es dem Tier geht.

Es ist aber auch schon vorgekommen, dass sich der ein oder andere Fahrer nach einem Wildunfall ein totes Reh in den Kofferraum gelegt hat und einen Sonntagsbraten im Sinn hatte. Das wiederum ist eine Straftat. „Jagdwilderei kann in schweren Fällen sogar mit einer Gefängnisstrafe enden“, warnt Schneider.