Bergisches Land. Behörden haben Reichsbürger im Blick

Bergisches Land. · Im Städtedreieck lebt laut Polizei eine Anzahl im oberen zweistelligen Bereich.

2016 hob die Polizei ein privates Waffenarsenal in zwei Solinger Wohnungen aus. Der Fall warf überregional ein Schlaglicht auf die Reichsbürger-Szene im Bergischen Städtedreieck.

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Sie lehnen die Bundesrepublik Deutschland samt ihres Rechtssystems ab und haben ihre eigenen Gesetze – die Rede ist von sogenannten Reichsbürgern. Auch wenn es um diese Bewegung in jüngster Vergangenheit ruhiger geworden ist, beschäftigen ihre Anhänger die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden weiterhin.

Auch in Solingen hat die Verwaltung vielfältige Erfahrungen mit selbsternannten Reichsbürgern gemacht, berichtet Solingens Ordnungsdezernent Jan Welzel (CDU): „Wir haben schon ganz unterschiedliche Varianten dieser Bewegung kennengelernt. Mal beruft sich ein Anhänger auf den Fortbestand des preußischen Staates von 1913, mal wähnt sich jemand als Bürger des deutschen Reiches mit seinen Grenzen vor dem Zweiten Weltkrieg. Ein anderes Mal erkennt jemand die deutsche Einheit nicht an und betrachtete sich als Bürger der DDR.“ Manchmal treibt die krude Gedankenwelt der Reichsbürger auch unfreiwillig komische Blüten: „Es kam auch schon vor, dass jemand die Staatsgewalt in Widdert für sich beansprucht hat“, so Welzel. Eine Person trete bei der Stadt bis heute mit solchen Anwandlungen in Erscheinung.

Polizei sieht Überschneidungen mit rechtsextremer Szene

Um ihre Sicht der Dinge zu dokumentieren, forderten Reichsbürger oft ein Staatsangehörigkeitsdokument bei der Stadt an, um dies später anfechten zu können. Einige wollten auch persönliche Dokumente wie den Personalausweis abgeben, da sie deren Gültigkeit infrage stellten, so Welzel weiter. „Die Betroffenen betrachten die Bundesrepublik Deutschland als eine GmbH. Bezogen auf Solingen sehen sie den Oberbürgermeister als den Geschäftsführer“, erklärt der Ordnungsdezernent. Zahlenmäßig erfasst würden solche Fälle bei der Stadt nicht. Die Motivation der Reichsbürger sei derweil ganz unterschiedlich: Während die einen versuchten, sich um Zahlungen herumzudrücken, seien die anderen von ihrem wirren Weltbild tatsächlich überzeugt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht davon aus, dass deutschlandweit rund 19 000 Reichsbürger leben, darunter 950 Rechtsextremisten. Konkrete Zahlen für Solingen lägen der Polizei nicht vor, bedauert Polizeisprecher Jörn Kosanetzky. „Wir gehen im Bergischen Städtedreieck von einer Zahl im hohen zweistelligen Bereich aus.“ Diese sei weitgehend konstant. Dabei gebe es große Überschneidungen zwischen Reichsbürger- und rechter Szene. Kosanetzky betont, dass die Polizei alles tue, „um die Szene zu erhellen“. Ziel sei es, dazugehörige Personen zu identifizieren und Gefahren, die möglicherweise von ihnen ausgehen, zu minimieren.

2016 kochte das Thema Reichsbürger in Solingen hoch, als die Polizei beizwei Anhängern der Bewegung in Solingen ein umfangreiches Waffenarsenal sichergestellt hatte. Beide klagten später vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht – der eine, weil er seine Waffenbesitzkarte zurückforderte, den die Polizei ihm auf eine richterliche Anordnung hin entzogen hatte (Grund waren erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Mannes, eine Waffe zu führen), der andere verlangte Schadenersatz, weil die Polizei bei einem SEK-Einsatz in seiner Wohnung angeblich hohen Schaden angerichtet habe.

Den Fall der Solinger hatte Welzel zum Anlass für eine Weisung genommen, wie mit Verdachtsfällen in Bezug auf Reichsbürger in der Behörde umzugehen ist. „Wenn jemand einen Widerspruch gegen einen Zahlungsbescheid einlegt und diesen damit begründet, dass dieser für ihn nicht gelten würde, weil er die BRD mit ihren Gesetzen nicht anerkennt, wird der Widerspruch als unbegründet abgelehnt. In solchen Fällen ist es wichtig, das Recht konsequent durchzusetzen, um die Handlungsfähigkeit unseres Staates zu dokumentieren.“ Dabei habe er stets auch die Sicherheit seiner Mitarbeiter im Blick: „Wenn jemand als gewaltbereit gilt, schicke ich keinen Mitarbeiter der Stadtkasse zu ihm nach Hause, um eine Zahlung zu vollstrecken.“