Analyse: Empfindliche Schlappe für die Telekom
Bonn (dpa) - Der Aufschrei war groß, als die Deutsche Telekom im Frühjahr Internetnutzern eine Tempobremse aufzwingen wollte. Ab einem bestimmten Datenvolumen wollte das Unternehmen bei Flatrate-Tarifen im Festnetz die Surfgeschwindigkeit drosseln.
Damit ist nun Schluss.
Die Telekom, wegen der Tempobremse als „Drosselkom“ verschrien, darf die Bremse nicht einsetzen. Die umstrittenen Pläne zur Einschränkung von Surfgeschwindigkeiten liegen vorläufig auf Eis. Die Verbraucherzentrale NRW klagte gegen die Pläne - und hatte jetzt Erfolg. Die vieldiskutierte Vertragsklausel sei unzulässig, erklärte das Kölner Landgericht. Die Kunden würden unangemessen benachteiligt.
Telekom, was nun?
Der Konzern zeigte sich in einer ersten Stellungnahme wortkarg: „Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen und ... werden voraussichtlich Berufung einlegen“, hieß es knapp.
Für den scheidenden Konzernchef René Obermann, der das Unternehmen am Jahresende verlässt, endet die Karriere beim Bonner Riesen mit einer Riesenschlappe. Gerade der Vorstandschef hatte die Drosselpläne in den vergangenen Monaten immer wieder verteidigt - vor allem gegen aus seiner Sicht populistischen Anfeindungen aus der Politik.
Die Begründung für die Tempo-Einschränkung bei den Flatrates ist aus Sicht der Telekom klar: Internetnutzer wollen immer mehr Multimedia-Inhalte abrufen, dazu braucht es ein schnelles Netz. Der Netzausbau kostet Geld, die Telekom steckt Milliardensummen hinein. Wer über einen Pauschaltarif viel surfe, so der Gedanke, sollte ab einem bestimmten Verbrauch abgebremst werden - oder ein Datenpaket hinzubuchen müssen. Zugleich solle es auch weiterhin „echte“ Flatrates ohne Tempobremse geben - aber eventuell teurer.
Tatsächlich investiert kein Telekommunikationsunternehmen in Deutschland so viel in seine Infrastruktur - in Glasfaser, VDSL oder Vectoring - wie die Telekom. Obermann spricht gerne von Investitionen in die Gigabit-Gesellschaft. Sein Nachfolger Timotheus Höttges sagt: „Wir nehmen allein 6 Milliarden Euro in die Hand, um 24 Millionen Haushalten ein Übertragungstempo von bis zu 100 Megabit anzubieten.“ Die Milliardensummen müssten wieder zurückverdient werden.
Für Internetnutzer dagegen sei das Abbremsen ärgerlich, ist sich die Verbraucherzentrale NRW sicher, etwa wegen langer Wartezeiten beim Seitenaufruf oder dem Herunterladen von Daten. Manche Onlinedienste seien abgebremst praktisch gar nicht mehr nutzbar. Qualitätseinbußen drohten ferner beim Musikhören, Telefonieren über das Internet oder beim Anschauen von HD-Filmen.
Das ging dem Landgericht zu weit: Der Durchschnittskunde verbinde mit dem Begriff „Flatrate“ eine bestimmte Surfgeschwindigkeit und rechne nicht mit Einschränkungen. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung werde durch die Drosselung empfindlich gestört, urteilte die Zivilkammer.
Bei der Tempodrosselung steht die Telekom in Deutschland jedoch keineswegs allein da. Auch etwa bei Telefónica O2 und Kabel Deutschland sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Neukunden Regelungen zur Drosselung der Surfgeschwindigkeit bei einem bestimmten Datenvolumen vorgesehen. Der größte Telekom-Konkurrent Vodafone hat indes bisher kein Tempolimit geplant. Das solle auch so bleiben, meint ein Sprecher - vorläufig jedenfalls.