Analyse: IT-Gipfel: Glanz und Elend der deutschen IT-Politik

Hamburg (dpa) - Über eine mangelnde Aufmerksamkeit aus der Politik konnte sich der achte Nationale IT-Gipfel in Hamburg nicht beklagen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sechs Bundesminister im Schlepptau, um in der Hansestadt über den IT-Standort Deutschland zu beraten und sich im Minutentakt „Exzellenzprojekte made in Germany“ vorführen zu lassen.

Der Glanz in der Handelskammer Hamburg verdeutlichte aber gleichzeitig das Elend der deutschen IT-Politik. Bei der Bildung der schwarz-roten Bundesregierung im Dezember 2013 wurde zur Enttäuschung der IT-Branche kein starker „Internet-Minister“ bestimmt, sondern gleich drei.

Alexander Dobrindt (CSU) ist nicht nur für Verkehrsprojekte wie die umstrittene Maut zuständig, sondern auch für die „digitale Infrastruktur“. Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) setzt als Wirtschaftsminister wichtige Rahmenbedingungen für die Telekommunikationsbranche und versucht in jüngster Zeit auffällig, sich in der Debatte um die Vormachtstellung des Internet-Riesen Google zu profilieren. Und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kümmert sich um die Aspekte Sicherheit und Datenschutz in den Netzen.

„Dieser hierarchielose Verbund aus Innen-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium kann systembedingt nur schwer an einem Strang ziehen“, lautet die Bilanz von Stefan Heumann und Sebastian Rieger von der Stiftung Neue Verantwortung, einem überparteilichen Think Tank in Berlin. „Zu unterschiedlich sind die Interessen der zum Teil konkurrierenden Ressorts“, schreiben sie in einem Gastbeitrag der „Süddeutschen Zeitung“.

Auf dem Gipfel verteidigte Wirtschaftsminister Gabriel das komplizierte Konstrukt. Themen wie die Digitalisierung berührten nun einmal viele Bereiche und damit mehrere Ressorts. Der Wunsch nach einem Alleinbestimmer habe nichts mit der Realität zu tun und verstoße auch gegen die Verfassung.

Wichtiger sei, dass die Politik „konsistent“ sei, also Widersprüche möglichst umfassend beseitigt würden. Außerdem dürfe die Aufteilung der Verantwortung nicht zu einem Verlust von Geschwindigkeit führen. Im Übrigen stehe Deutschland nicht so schlecht da. Gabriel verwies in diesem Zusammenhang auf den Monitoring-Report Digitale Wirtschaft 2014. Danach konnte Deutschland im 15-Länder-Vergleich einen guten fünften Platz behaupten.

In den Statistiken zur Breitband-Infrastruktur ist Deutschland allerdings längst aus den Top-Ten abgestiegen. So kommt Deutschland im renommierten Bericht „State of the Internet“ des US-Internetkonzerns Akamai bei der durchschnittlichen Datengeschwindigkeit nur auf Platz 27, noch hinter Ländern wie Rumänien und Russland.

Das Breitband-Führungstrio kommt erwartungsgemäß aus Asien: Südkorea, Japan und Hongkong liegen an der Spitze. Auf den Plätzen 4 und 5 stehen mit der Schweiz und den Niederlanden aber schon Nachbarstaaten der Bundesrepublik, die den Deutschen weit voraus sind.

Nicht nur die vergleichsweise schlechte Infrastruktur in Deutschland könnte sich als Handicap erweisen. Dieter Kempf, Präsident des Branchenverbandes Bitkom, erinnerte daran, dass in Deutschland in der Vergangenheit ganze Branchen wie Unterhaltungselektronik oder die Handy-Hersteller durch Wettbewerber aus dem Ausland abgehängt worden seien.

In klassischen Industrie-Bereichen, wo man noch nicht genügend auf die Digitalisierung vorbereitet sei, gehe es jetzt darum „die zweite Halbzeit zu gewinnen“.