Analyse: Patentstreit in der Mobilfunkbranche dauert noch Jahre

Mannheim (dpa) - Etappensieg für Apple in einem Rechtsstreit, der sich noch lange hinziehen kann: „Die Klage wird abgewiesen“, sagt Richter Maximilian Wedler. Mit der wortkargen Urteilsverkündung am Freitag im Landgericht Mannheim ist das Verfahren nicht beendet.

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Der Patentverwerter IPCom, der 1,57 Milliarden Euro als Schadenersatz von Apple verlangt, geht in die nächste Instanz, vors Oberlandesgericht Karlsruhe. Und die Handy-Hersteller können sich bestärkt fühlen, das Patent vor dem Bundespatentgericht für nichtig erklären zu lassen. Auf beiden Schienen steht grundsätzlich der Rechtsweg bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) offen.

Zur Verhandlung vor gut zwei Wochen kam noch eine ranghohe Justiziarin aus Kalifornien nach Mannheim. Bei der Urteilsverkündung wird der Konzern dann von einer Praktikantin der Kanzlei Freshfields vertreten: „Ich bin für Apple hier“, sagt die junge Frau selbstbewusst. Ob sie Rechtsanwältin sei, fragt Richter Wedler. Die Antwort: „Ich bin Praktikantin im juristischen Bereich.“

IPCom-Geschäftsführer Bernhard Frohwitter ist diesmal auch nicht nach Mannheim gekommen. Über E-Mail lässt er erklären, dass er über die Urteile verwundert sei und Berufung einlegen werde.

Patentrechtsexperte Florian Müller hingegen ist nicht überrascht. Den Beitrag für sein Fachblog „Foss Patents“ hat er schon im Zug auf der Fahrt nach Mannheim geschrieben. „Dieser Streit wird noch einige Jahre dauern“, sagt er nach der Urteilsverkündung. Apple und andere könnten sich in ihrer Gegenwehr gegen Patentansprüche nun weiter bestärkt fühlen. Zu den Gewinnern vor Gericht zählt auch der Handy-Hersteller HTC, gegen den IPCom ebenfalls eine Patentverletzung feststellen lassen wollte und dies zumindest in Mannheim nicht erreicht hat.

Stein des Anstoßes ist ein Schutzrecht für eine Erfindung, die der Elektrotechnik-Spezialist Bosch entwickelt, im Jahr 2000 patentiert und zusammen mit anderen Patenten 2007 an IPCom verkauft hat. Bei diesem Patent mit der Bosch-Bezeichnung #100A (EP 1 841 268 B1) geht es um den „Zugriff einer Mobilstation auf einen wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit ihrer Nutzerklasse“ - damit kann auch Rettungskräften oder der Polizei bei Netzüberlastung eine Überholspur freigehalten werden.

Apple, Nokia, HTC, Vodafone und Ericsson wollten dieses Patent für nichtig erklären lassen. Dem mochte das Europäische Patentamt (EPA) in München im Januar zwar nicht folgen, doch wurde als Ergebnis der Prüfung der Wortlaut des Patents eingeschränkt.

Bei der Anmeldung eines Patents wird meist versucht, den Schutzbereich möglichst weit zu fassen. „Im Hinblick auf künftige Verletzungsfälle soll der Zaun möglichst weit vom Haus aufgestellt werden“, erklärt der Stuttgarter Patentanwalt Jan Dombrowski von der Kanzlei CMS Hasche Sigle. „Bei der Prüfung aufgrund einer Nichtigkeitsklage rückt der Zaun dann oft wieder näher an das Haus heran.“

Bei dem Beschluss des Europäischen Patentamts, so sagte der Vorsitzende Richter Holger Kircher zu Beginn der Verhandlung, handele es sich „nicht um lediglich sprachliche und deklaratorische Erweiterungen, sondern um Klarstellungen mit einer inhaltlichen und substanziellen Einschränkung des Klagepatents“. Mit der Abweisung der Klage folgte das Landgericht nun dieser Linie.

Warum ist ausgerechnet der Mobilfunk so sehr zur Kampfzone des Patentrechts geworden? „Patent-Trolle sind gewinngetrieben“, antwortet Dombrowski. „Und in der Mobilfunkbranche wird am meisten Umsatz gemacht, das ist einfach viel attraktiver als etwa der Maschinenbau.“

Gewinner sind die Anwälte. Die Anwaltskosten in den verschiedenen Rechtsstreitigkeiten allein zum Patent #100A, so schätzen übereinstimmend Experte Müller und Patentanwalt Dombrowski, haben sicherlich schon einen zweistelligen Millionenbetrag erreicht.