Bayerischer Supercomputer wird noch schneller
München (dpa) - Das Superhirn steckt in grauen Schränken und braucht mehr als 600 Quadratmeter Platz. Gut sechs Billiarden Rechenschritte pro Sekunde schafft der Supercomputer „SuperMUC“ in Garching nun.
Der Rechner gehört zu den stärksten weltweit, doch auch er brauchte eine Auffrischung.
Heute geht Phase 2 offiziell in Betrieb, die Rechenleistung verdoppelt sich auf 6,4 Petaflops. Vorstellen kann man sich das kaum noch. „Wenn sechs Milliarden Menschen einen Taschenrechner hätten, der pro Sekunde eine Million Rechenschritte machen kann - dann wären sie alle zusammen so schnell wie der SuperMUC in der Phase 2“, sagt Hans-Jürgen Rehm vom IT-Dienstleister IBM, der für Konzeption und Speicher des Hochleistungscomputers zuständig ist. Die Erweiterung des „SuperMUC“ hat 49 Millionen Euro gekostet.
Der Computer löst Fragen von Forschern aus Deutschland und 24 anderen europäischen Ländern sowie Israel und der Türkei. Geowissenschaftler, Physiker, Astronomen, Mathematiker und Mediziner profitieren ebenso wie Ingenieure und Klimaforscher. „Der Rechner ist kontinuierlich ausgebucht“, sagt der Vorsitzende des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ), Arndt Bode. Das LRZ, gegründet 1962, entwirft heute hochkomplexe Modelle und wertet sekundenschnell gigantische Datenmengen aus.
„SuperMUC“ berechnet Aktivitäten unter der Erdkruste und Auswirkungen von Erdbeben. Mit Hilfe von Superrechnern lässt sich darstellen, was nach dem Urknall geschah. Autohersteller können Luftwiderstand und Crashfestigkeit schon vor dem Prototypbau virtuell testen. In der Medizin kann die Funktion von Organen wie der Lunge genau nachempfunden werden. Gensequenzen oder Protein-Strukturen wiederum sind bedeutsam für Verständnis und Therapie von Krankheiten.
Gerade erforscht das Haunersche Kinderspital Asthma-Erkrankungen bei Kindern, die wie bei Erwachsenen immer häufiger auftreten. Jedes zehnte Kind ist betroffen. „Es ist sehr wichtig, medizinische Analysen machen zu können über Daten, die bei den Patienten gewonnen wurden“, sagt Rechenzentrums-Chef Bode. Kürzlich half der Rechner, den Stammbaum von Insekten aufzuklären - wichtig für die Landwirtschaft und Schädlingsbekämpfung. Die Forscher speisten Daten von 1478 Genen ein - nur ein solcher Hochleistungscomputer konnte das verarbeiten. Nun läuft eine Analyse des Stammbaums der Vögel.
Auf der weltweiten Liste der „Top 500“ Supercomputer vom November wäre der „SuperMUC“ mit Erweiterung etwa auf Platz sechs gelandet. Für die neue Liste im Juli ist Bode angesichts der rasanten Entwicklung vorsichtig. „Unter den ersten 50 sind wir sicher.“ Allerdings sei der „SuperMUC“ ein Allrounder, ein „Omnibus“ gegenüber spezialisierten „Rennautos“. „Das Rennauto ist nur etwas für den Rennfahrer. Deswegen werden wir nie in diese Kategorie fallen.“ Noch vor drei Jahren bei seinem Start lag der „SuperMUC“ auf Platz eins der schnellsten Rechner in Europa.
Omnibus oder Rennauto - der Markt fordert permanente Anpassung. Wenn Vertreter von Politik, Wissenschaft und Herstellern am Montag den roten Knopf drücken und symbolisch den erweiterten Rechner starten, laufen die Planungen für den Nachfolger längst auf Hochtouren. 2017 oder 2018 soll der „SuperMUC“ abgelöst werden. Wie hoch die Rechenleistung dann sein wird, kann Bode nicht sagen. „Wir wünschen uns auf jeden Fall eine große zweistellige Zahl jenseits von 50“, sagt er und meint die Petaflops. Schnellster Rechner war zuletzt der chinesische „Tianhe-2“ mit 33,86 Petaflops.
Mit seiner von IBM mitentwickelten Warmwasserkühlung war der „SuperMUC“ vor drei Jahren weltweit Vorbild. Klassische Rechenzentren brauchen etwa 50 Prozent ihres Energiebedarfs für die Kühlung, beim „SuperMUC“ sind es nur 10 bis 20 Prozent. Die Abwärme heizt Gebäude. Neu ist nun die fast stufenlose Regelung von Leistung und damit Energie, ein weiteres Sparpotenzial. Gut 240 000 Prozessorkerne fressen trotzdem jährlich Strom für rund fünf Millionen Euro.
Der immense Stromverbrauch ist noch eine Hürde für die nächste Computer-Generation, Exaflop-Rechner mit der tausendfachen Kapazität der Petaflop-Anlagen. Bei derzeitiger Technik bräuchte ein solcher Rechner Strom für fünf Milliarden Euro, sagt Bode. Etwa 2022 rechnen Experten mit ersten Anlagen dieser Art. Hier sei noch ein Kraftakt nötig, sagt auch Rehm. „Ein solcher Exaflop-Computer, mit heutigen Möglichkeiten gebaut, würde Energie in der Dimension unserer größten Kohle- oder Kernkraftwerke brauchen. Und das wäre weder politisch noch ökonomisch noch ökologisch durchsetzbar.“