Bericht: Telekom-Chef sucht neue Herausforderungen bei Ziggo

Bonn (dpa) - In Deutschland waren die Kabelnetzbetreiber seine Gegenspieler. Oft hat der scheidende Telekom-Chef René Obermann über sie geschimpft. Kaum reguliert und mit preisaggressiven Angeboten haben sie dem Branchenprimus beim schnellen Internet das Wasser abgegraben.

Und jetzt wechselt Obermann ausgerechnet an die Spitze eines Kabelunternehmens, wenn auch in den Niederlanden: Ziggo mit Sitz in Utrecht bietet rund 2,9 Millionen Kunden Telefonie, schnelles Internet und digitales TV. Ab 2014 soll Obermann das Unternehmen weiter voranbringen.

Über die berufliche Zukunft des Topmanagers, der erst am vergangenen Dienstag seinen 50. Geburtstag feierte, war seit der Ankündigung seines Rückzugs immer wieder spekuliert worden. Doch Obermann, der aus Krefeld stammt, behielt seine Pläne unter Verschluss. Nun hat sein künftiger Arbeitgeber die Katze aus dem Sack gelassen. Zwar müssen die Ziggo-Aktionäre der Bestellung noch zustimmen, doch das gilt als Formsache.

„Es war klar, dass ein neuer Unternehmenschef bei Ziggo kommen musste. Obermann hat einen sehr guten Hintergrund“, zitierte die Tageszeitung „De Telegraaf“ einen Analysten der Rabobank.

Dass es ausgerechnet Ziggo gelang, einen Großen der Branche zu angeln, hat vermutlich mit der Strategie der Firma zu tun. Er wolle wieder stärker im operativen Geschäft tätig und näher am Kunden sein, bekannte Obermann Ende Dezember. Ziggo scheint seine Anforderungen zu erfüllen: Das Unternehmen, das rund 3000 Menschen beschäftigt und 2012 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro erzielte, steht im Umbruch.

Es will sich von einem Kabelbetreiber zu einem Anbieter für Medien und Unterhaltungsangebote entwickeln. „Vergessen Sie Kabel und Technologie: Es geht nur darum, unseren Kunden für Geld das Beste zu liefern“, schrieb der aktuelle Ziggo-Chef Bernard Dijkhuizen im Geschäftsbericht 2012. Das sind Worte, die auch Obermann über die Lippen gehen könnten.

Sein Rückzug bei der Telekom ist ein ungewöhnlicher Schritt. Noch einmal unten anfangen, in einem kleinen Unternehmen, sich im Alltagsgeschäft aufreiben? Für einen, der einmal ganz oben stand, einflussreich und mächtig war und ein Jahresgehalt von mehreren Millionen Euro kassierte? Kaum vorstellbar und doch wahr: Obermann, der seit Mitte 2010 mit der ZDF-Moderatorin Maybrit Illner verheiratet ist, gehört nicht zu den gradlinigen Managern. Vor vielen Jahren hatte er nach einer Lehre zum Industriekaufmann bei BMW als 23-Jähriger sein Studium der Volkswirtschaftslehre in Münster einfach geschmissen und ein Unternehmen gegründet - die ABC Telekom.

Das erfolgreiche kleine Mobilfunkunternehmen wurde später von Hutchison Whampoa aufgekauft. Die Firma leitete Obermann vier Jahre, dann wurde er 1998 von der Telekom abgeworben. Dort begann sein beruflicher Aufstieg, zunächst im Mobilfunk. 2006 wurde er Vorstandschef. Obermann und sein Team drehten das Unternehmen auf links: Der Schuldenabbau stand oben auf der Agenda, die Bereiche Festnetz, Mobilfunk und Geschäftskunden wurden neu geordnet.

Obermann trimmte den Konzern auf neue Wachstumsfelder und zuletzt gelang es ihm, das größte Sorgenkind, die US-Mobilfunktochter in eine Fusion zu führen. Der Zusammenschluss mit MetroPCS steht kurz vor dem Abschluss. Doch bei der Telekom bleibt eine Menge zu tun, es fehlt Wachstum und der T-Aktie die Fantasie. Milliardensummen will der Vorstand in den kommenden Jahren unter anderem in Netzausbau investieren. Und auch in den USA ist der Konzern noch lange nicht über den Berg.