CeBIT schöpft Hoffnung - Risiken durch Wandel bleiben
Hannover/Berlin (dpa) - Die Erleichterung der CeBIT-Verantwortlichen ist nicht zu übersehen. Endlich gelang es in diesem Jahr, den Abwärtstrend der größten IT-Messe der Welt, zugleich Aushängeschild für den Technologie-Standort Deutschland und die Messestadt Hannover, zu stoppen.
Vor einem Jahr noch konnte Messe-Vorstand Ernst Raue nur versprechen, dass alles besser wird: „Wir greifen an.“ Die CeBIT 2010 hatte gerade statt der anvisierten Wende einen weiteren Rückgang der Ausstellerzahl gebracht, der Bedeutungsverlust war greifbar. Jetzt fielen zum Abschluss der fünftägigen CeBIT viele Superlative. Die CeBIT habe sich als Trendsetter erwiesen und sei stärker als je zuvor, verkündete Raue am Samstag.
Ist die Zukunft jetzt also so wolkenfrei wie der Himmel über Hannover in den vergangenen Tagen? Nicht so schnell. Beispielhaft sind zwei weitere Ereignisse, die in die CeBIT-Woche fielen. Der Elektronik-Riese Samsung lud nach Hamburg, um die aktuelle Modell-Palette vorzustellen, Apple präsentierte in San Francisco die zweite Generation seines iPad-Tablets. So unterschiedlich die beiden Termine von ihrem Gewicht auch waren, eines hatten sie gemeinsam: Das Fehlen von Respekt für die Großveranstaltung in Hannover. Wie kommt das?
Schon als die CeBIT vor 25 Jahren ihr eigenständiges Leben begann, war der Begriff „IT-Branche“ eine Vereinfachung. Inzwischen haben sich endgültig viele verschiedene Industrien herausgebildet, die eigene Interessen, Spitzenreiter und Konflikte haben. PC-Bauer, Handy-Hersteller, Netzbetreiber, Internet-Konzerne, Industrieausrüster, Softwareentwickler, Unterhaltungselektronik- Spezialisten. Wie bringt man so viele verschiedene Akteure auf einer Messe zusammen?, lautete schon seit vielen Jahren die Schlüsselfrage für die CeBIT-Veranstalter.
Die CeBIT ist schon immer auch stark die Messe ihrer großen Aussteller gewesen: Microsoft, SAP, IBM, Deutsche Telekom. Wenn jemand eine ganze Halle mietet, hat sein Wort naturgemäß mehr Gewicht als das einer kleinen Firma, die irgendwo zwischen zwei Ständen eingeklemmt ist.
Als ein Teil der Großen vor einigen Jahren beschloss, dass die neugierigen Verbraucher nur das Geschäft stören, wurde „das Profil der CeBIT als Business-Messe geschärft“. Hinzu kam der Aufstieg von Internet-Geschäftsplattformen, mit denen eine Messereise im Vergleich zu früher weniger wichtig wurde. Spezialisierte Konkurrenz-Veranstaltungen wie die Berliner Funkausstellung und der Mobile World Congress in Barcelona gewannen an Anziehungskraft. Dann schlug auch noch die Wirtschaftskrise ein. Die Folgen: Große und kleine Aussteller wanderten ab, die Zahl der Besucher fiel drastisch, der Glanz der CeBIT verblasste.
Dass in diesem Jahr die Verbraucher wieder willkommen sind in Hannover, erklärt der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, August-Wilhelm Scheer, damit, dass sich das Geschäft der Unternehmen verändert habe. Einen Beleg für die Wandlungsfähigkeit lieferte in Hannover auch Microsoft, die Windows-Bastion, die heute ins Cloud Computing vorprescht. Doch der Wandel geht noch viel tiefer - und die CeBIT-Stammaussteller werden sich nicht unbedingt auf der Gewinnerseite wiederfinden.
Just während der CeBIT kappten die Marktforscher von Gartner ihre Prognose für das Wachstum des PC-Marktes. Der Grund: Die Ausbreitung von Tablets wie Apples iPad. Apple-Chef Steve Jobs sieht schon eine „Post-PC-Welt“ aufkommen, in der Smartphones und Tablets die Rolle traditioneller Computer zurechtstutzen. Bereits heute werden mehr High-Tech-Telefone als PCs verkauft. Die „heißesten“ Unternehmen in der heutigen IT-Branche heißen Apple, Google, Facebook. In ihrer Welt spielt die CeBIT keine große Rolle. Nach diesem Jahr ist zwar klar, dass die Messe für genug Unternehmen so wichtig ist, dass sie auch weiter nach Hannover kommen werden. Der Anspruch, das „Davos der IT-Branche“ zu sein, wird aber nicht so leicht zu halten sein.