Computerspiele: Branchen-Dinos mit neuem Beuteschema
Köln (dpa) - Sie sind eine Art Dinosaurier der Computerspielebranche: Schwergewichte wie Electronic Arts, Activision und Ubisoft haben über Jahrzehnte mit dem klassischen Verkauf von Titeln für Konsole und PC Milliarden verdient.
Damit sind sie groß geworden - und auch weniger beweglich.
Doch die Spielewelt wandelt sich rasch, die Großen sehen sich agiler und hungriger Konkurrenz ausgesetzt. Mit Online- und Handy-Spielen wollen junge Firmen wie Zynga, Wooga und Gameforge den Markt umkrempeln. Die Dinos wehren sich mit einem neuen Beuteschema gegen die Konkurrenz.
Die Zahlen zeigen es: Der klassische Verkauf von Spielen bleibt für die Branchengrößen bis auf weiteres das Brot- und Buttergeschäft. Der Umsatz mit Konsolen-Titeln wird dieses Jahr auf 1,14 Milliarden Euro wachsen (plus 2,7 Prozent), prognostiziert die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC). PC-Titel steuern 438 Millionen Euro bei. Den Gesamtmarkt taxieren die Experten auf 1,98 Milliarden Euro.
Bekannte Marken sollen dafür sorgen, dass das Geschäft mit den teuer produzierten Titeln weiter brummt - das zeigt das Programm für die Gamescom. So schickt Electronic Arts die Spieler mit „Battlefield 3“ aufs Schlachtfeld, Capcom lässt in „Street Fighter X Tekken“ die Kämpfer zweier Computerspielreihen aufeinandertreffen, Blizzard Entertainment will zumindest mit einer Demo Lust auf „Diablo 3“ machen. Und die Bewegungssteuerungen für Wii, Playstation 3 und Xbox 360 sollen auch Frauen und Kinder vor die Mattscheibe locken.
Die beeindruckenden Wachstumsraten vergangener Jahre sind jedoch passé, viele Märkte sind gesättigt. Die Zukunft der Branche sehen Experten im Internet. PwC schätzt, dass der Umsatz mit Spiele-Abos - etwa für „World of Warcraft“ - und dem Verkauf virtueller Güter und Inhalte bis 2015 von 300 auf 450 Millionen Euro wächst. Spiele für Smartphones und Tablets sollen dann immerhin 69 Millionen Euro Erlös einbringen.
Anbieter wie Zynga und Wooga, Bigpoint und Gameforge machen das Wettrüsten um die knalligere Grafik und bessere Rechenleistung nicht mit. Ihre Titel - zumeist Strategiespiele und Pausenfüller - glänzen zwar nicht mit einer fotorealistischen Optik. Sie locken aber damit, dass die Spieler sich mit ihren Freunden vernetzen können, etwa bei Facebook-Spielen wie „Farmville“ oder „Mafia Wars“. Gerade Frauen gefällt dieses Miteinander der „Social Games“. Und die Spiele kosten nichts: Die Anbieter kassieren nur für virtuelle Extras. Das lohnt - wenn die Reichweite groß genug ist.
Wollen sich die Branchengrößen dieses Geschäft nicht entgehen lassen, müssen sie sich auf die neuen Spielregeln einlassen, sagt Prof. Jörg Müller-Lietzkow von der Universität Paderborn. Ein großer Unterschied sei die Kalkulation: „Die traditionelle Industrie hatte eine feste Einnahmebasis.“ Anders beim „Free to play“-Modell: „Die Anbieter geben den Konsumenten erst mal ein funktionsfähiges Spiel. Wenn genügend Nutzer spielen und Geld ausgeben, legen sie nach.“
Wie entwickelt man solche Spiele? Wie bewegt man die Nutzer dazu, für virtuelle Waffen oder Tiere Geld auszugeben? Wie setzt man das Budget an, wenn die Einnahmen unklar sind? Den meisten Großen fehle das Produktionswissen, sagt Müller-Lietzkow. Deswegen kaufen sie innovative Entwickler. EA ist zum Beispiel durch zwei Übernahmen in die Top 5 der Anbieter von Facebook-Spielen aufgestiegen.
Das neue Beuteschema der Games-Dinos: Sie vermarkten ihre Titel auch über Smartphones und Tablets, Browser und Facebook. Und sie verkaufen im Spiel zusätzliche Inhalte - so bietet Activision für seine „Call of Duty“-Serie aktuell ein Paket an, mit dem Sessel-Krieger auf dem Mond gegen Zombies kämpfen können. Ohne online geht es nicht mehr.