Das Fernsehen verlässt den Fernseher
München (dpa) - Das Fernsehprogramm hat früher den Abend geregelt. Heute lässt sich die Glotze programmieren, mitnehmen und zum Telefonieren nutzen. Neue Technik und das Internet verändern das Medium grundlegend.
Und im Netz wächst mögliche Konkurrenz für TV-Sender.
Im Internet wächst die Konkurrenz fürs Fernsehen - und auch die Fernsehsender selbst umgarnen das junge Publikum im Netz. Internet-Stars erreichen ein Millionenpublikum, Videoplattformen wie Youtube oder Clipfish sind für viele junge Menschen inzwischen so wichtig wie ProSieben, RTL oder Sat.1. Einige Webmedien erzielen Reichweiten, die mancher Spartensender gerne hätte. Aber: Noch immer ist das Fernsehen das meistgenutzte Medium hierzulande. Fast vier Stunden pro Tag schauen Menschen ab 14 in Deutschland durchschnittlich in die Glotze, schreiben die Landesmedienanstalten in ihrem Jahresbericht 2012. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.
Denn auch das Fernsehen selbst verändert sich. In mehr als 10 Millionen Haushalten stand im vergangenen Jahr bereits ein Fernseher, der ans Internet angeschlossen ist. Bis 2016 wird sich diese Zahl der Medienberatung Goldmedia zufolge verdoppeln. Und dort werden sich Sender und Online-Anbieter künftig stärker als bisher ins Gehege kommen. Denn junge Unternehmen wie Mediakraft finanzieren ihre Angebote auf Videoplattformen auch über Werbung. Die Rivalität wird wachsen. Dabei sind die Stars bei Mediakraft bereits erstaunlich zugkräftig.
Ein Beispiel: Die Comedy-Formation Y-Titty. Die Truppe hat auf Youtube eine stattliche Fan-Gemeinde. Rund zwei Millionen Abonnenten hat ihr Kanal, einzelne Videos kommen auf Hundertausende Zugriffe, manche knacken die Millionenmarke. Insgesamt sind die Clips mehr als 405 Millionen mal aufgerufen worden. „In ihrer Zielgruppe sind die Jungs populärer als Mario Barth“, sagt Mediakraft-Geschäftsführer Christoph Krachten. Krachten und sein Team bei Mediakraft suchen nach Menschen, die auf Youtube ihr eigenes Programm machen und bauen darum ein Vermarktungs-Netzwerk. Am ehesten, sagt Krachten, sei das mit einem Verlag zu vergleichen, der Autoren unter Vertrag nimmt.
Ein Milliardengeschäft wie bei ProSiebenSat.1 oder der RTL Group ist das längst noch nicht. Doch der Markt beginnt sich zu wandeln. Denn Werbung im Netz kann recht genau platziert werden, vor allem können die Reichweite besser gemessen werden. Zu allem Überfluss ist besonders der jüngere Teil der werberelevante Zielgruppe bis 49 Jahre im Netz unterwegs. Das macht das Internet für die Sender stetig wichtiger. ProSiebenSat.1 etwa hat mit Myvideo eine eigene Plattform am Start und sucht auch sonst nach Geschäftsmodellen fürs Netz, etwa mit Online-Spielen oder der Netz-Videothek Maxdome.
Dabei sind die Sehgewohnheiten im Netz radikal anders. Sendungen, Clips, Shows oder Filme sind dort auf Abruf verfügbar. Der Zuschauer bestimmt, wann er etwas sehen will - im Gegensatz zum linearen Programm der Fernsehsender, wo eine Sendung zur festgelegten Zeit auf die nächste folgt. ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling hat dennoch keine Furcht, dass das Netz das Ende des linearen Fernsehens bedeutet. „Wenn Zuschauer älter werden, eine Familie haben, dann kehren sie wieder ins Wohnzimmer und an das berühmte Lagerfeuer zurück. Das Internet ist kein Familienerlebnis, Fernsehen schon“, sagte der Manager jüngst der „Süddeutschen Zeitung“.
Krachten von Mediakraft sieht das anders. „In zehn Jahre wird diese Form des Fernsehens nur noch für Live-Übertragungen wichtig sein“, sagt er. Dazu gehören Sportereignisse, Live-Shows oder aktuelle Entwicklungen wie Attentate oder Hochwasser. Die übrigen Inhalte würden Zuschauer auf Abruf schauen, wann und wo sie wollen. Längst sind Smartphones auch kleine TV-Geräte, die Verbreitung von drahtlosem Internet wächst. Mediakraft verzeichnet bereits 40 Prozent der Zugriffe von mobilen Geräten, Tendenz stark steigend. Früher gab es für Bewegtbild nur einen Verbreitungsweg und einige Sender. Das hat sich mit Youtube und Co grundlegend geändert. Möglicherweise ändert das nun die ganze Branche.