Hybrid mit Frustfaktor Das Lenovo Yoga Book im Test
Berlin (dpa/tmn) - Komisch fühlt es sich an, dieses Halo-Keyboard. Blindes Schreiben ist auf der glatten Oberfläche nahezu unmöglich. Das gewohnte Zehnfingersystem funktioniert ohne richtige Tasten nur schlecht.
Da ist die große Löschen-Taste geradezu ein Eingeständnis.
Nein, auf diesem Notebook schreibt niemand Romane, höchstens frustrierte Poesie. Aber Lenovos Yoga Book will eigentlich auch kein Notebook sein. Das Hybridgerät im DIN-A5-Format ist Tablet und digitales Zeichenbrett zugleich. Und dann ist da noch diese Touch-Tastatur namens Halo Keyboard, die so ungewöhnlich und innovativ wie frustrierend ist. Umklappen und aufstellen lässt sich das Yoga Book auch noch. Doch der Reihe nach.
Nach einem Tablet mit mobilem Projektor trauen sich die Lenovo-Entwickler beim Yoga Book an eine neue Chimäre: Ein Tablet, das durch ein 180-Grad-Scharnier mit einer berührungsempfindlichen Eingabefläche verbunden ist. Sie ist Spielfeld für einen mitgelieferten Stylus und dient zum Zeichnen, Schreiben oder für die Stiftbedienung. Oder sie wird zum Halo-Keyboard mit leuchtenden Zahlen- und Buchstabentasten.
Das 10,1 Zoll große Display bietet etwas mehr als Full-HD-Auflösung (1920 zu 1200 Pixel), im Inneren des 690 Gramm leichten Verrenkungskünstler stecken ein Intel-Atom-Chip, 4 Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher und 64 GB Speicher (erweiterbar um bis zu 128 GB) - solide Smartphone-Oberklasse also, nur mit riesigem Display und Tasten.
Geladen wird das Yoga Book irritierenderweise über einen USB-2.0-Anschluss im Micro-Format. Andere Geräte und USB-Sticks lassen sich so meistens nur per Adapter anschließen. Gleiches gilt für den kleinen HDMI-Ausgang: Ohne den dazu passenden Adapter werden das Yoga Book, Monitore und Beamer keine Freunde.
Doch genug der Klage: Mit dem Yoga Book kann man durchaus schöne Momente haben. Zum Beispiel beim Serienschauen im Bett. Das Display ist hell, der Klang für ein so kleines Gerät erstaunlich gut. Durch die flexible Form steht das Yoga Book immer stabil und mit einer voller Akkuladung kommt man locker durch einige Folgen oder Filme.
Auch wer gerne zeichnet oder Notizen per Handschrift anlegt, kommt auf seine Kosten. Zwar kann das Yoga Book als digitales Zeichengerät nicht mit Grafiktablets für Profis mithalten. Für Skizzen und Computerzeichnungen mit dem Stylus reicht es aber allemal. Besonders clever: Der mitgelieferte Zeichenblock haftet magnetisch auf der Eingabefläche. Schreibt man nun auf den Block, werden Text und Zeichnungen auf Wunsch direkt digital zum Beispiel im Notizprogramm OneNote abgelegt.
Deutlich weniger Spaß macht das Verfassen langer Texte. Das Keyboard lädt geradezu zum Vertippen ein. Ein kleiner Vibrationsmotor versucht tapfer, den fehlenden Tastenhub zu ersetzen - wahres Tippgefühl kommt aber nicht auf. Das Touchpad ist auch nur selten wirklich präzise. Doch nach zwei Wochen mit diversen Vertippern und halblautem Fluchen gewöhnt man sich am Ende sogar an das seltsame Halo-Keyboard - echte Liebe wird es aber nicht.
Fazit: Von allem ein bisschen und eigentlich ganz gut
Was ist es nun, dieses Yoga Book? Zunächst einmal ein brauchbares Tablet mit vollwertigem PC-Betriebssystem, ein digitales Zeichenbrett und eine ausdauernde Videomaschine. Mit etwas Eingewöhnung ist es sogar ein Reiseschreibgerät.
Notebookmaßstäbe sollte man bei aller optischen Ähnlichkeit aber nicht anlegen. Denn dann ist das Yoga Book ein ziemlich lahmes Notebook, das mit seinem Prozessorchen schon bei etwas aufwendigeren Webseiten deutlich in die Knie geht - noch dazu mit höchst unpraktischen USB- und HDMI-Anschlüssen.
Dennoch gelingt dem Leichtgewicht der Spagat zwischen den Geräteklassen recht gut. Letztlich ist es ein solider Allrounder mit breitem Einsatzspektrum und vielen interessanten neuen Ideen.
Das Yoga Book gibt es mit Windows 10 ab rund 600 Euro und als Android-Gerät mit Android 6 ab rund 500 Euro. Beide Geräte sind bereits im Handel verfügbar. Wer nicht auf Windows angewiesen ist, kann beruhigt zur Android-Variante greifen. Dann spart man nicht nur 100 Euro, sondern kommt auch nicht in die Verlegenheit, dem kleinen Tablet Dinge zuzumuten, für die es nicht gemacht wurde.