Das neue Galaxy S6: Edel und schnell, aber nicht perfekt
Berlin (dpa/tmn) - Die Designer von Samsung in Kalifornien und Südkorea waren es wohl leid, dass ständig am Plastikdesign der Galaxy-Smartphones herumgemäkelt wurde. Beim neuen Samsung Galaxy S6 und dem Schwester-Modell S6 Edge wurden Vorder- und Rückseite mit ultra-harten Glasflächen überzogen.
Zusammen mit dem Metallrahmen hinterlassen die beiden Geräte nun den wertigen Eindruck, den man bislang vor allem dem iPhone von Apple zugeschrieben hat.
Beim Vorgängermodell Galaxy S5 setzte Samsung noch auf ein flexibles Plastik-Gehäuse. Das Rückteil konnte zum Austausch des Akkus leicht abgezogen werden, aber nach Ansicht vieler Smartphone-Käufer fühlte sich das nicht edel genug an. Die beiden S6-Modelle können beim Gehäusedesign nun locker den Vergleich zum iPhone 6 aufnehmen - mit allen Vor- und Nachteilen. Wie das iPhone liegen die beiden schlanken S6-Modelle angenehm in der Hand. Wie beim Apple-Gerät kann man den Akku nicht mehr selbst austauschen, sondern muss zum Öffnen des Gehäuses den Techniker bemühen. Und noch stärker als beim iPhone steht bei den Galaxys die Kameralinse an der Gehäuserückseite über.
Bei den technischen Werten übertrumpft Samsung die Spitzenmodelle der Konkurrenz. Bei dem OLED-Display (5,1 Zoll Bildschirmdiagonale) wurde die Auflösung auf 2560 mal 1440 Pixel erhöht (577 Pixel pro Zoll). In der Praxis relativiert sich dieser Vorsprung von Samsung, da man schon beim iPhone nicht mehr in der Lage ist, mit bloßem Auge einzelne Pixel zu erkennen. Die Farbdarstellung beim S6 ist OLED-typisch sehr kräftig, die neuen Samsung-Smartphones hinterlassen auch im Freien einen guten Eindruck, die Displays leuchten sehr hell.
Das neue Galaxy S6 erscheint in zwei Variaten, die sich nur äußerlich unterscheiden. Das etwas kleinere und schlankere S6 Edge hat ein an beiden Ecken gebogenes Display, so dass an beiden Seiten ein dünner Seitenbildschirm zu Verfügung steht. Er kann im Ruhezustand des Handys mit Status-Informationen wie der Uhrzeit oder mit Kurzmitteilungen, Wetter- oder Sport-Berichten bespielt werden. Man kann auch Kontakten eine Farbe zuordnen, um am Seitendisplay Anrufer zu erkennen, wenn das Telefon mit dem Display nach unten auf dem Tisch liegt. Das funktioniert aber nur in halb abgedunkelten Räumen.
Beide S6-Modelle verfügen über einen äußerst flotten Achtkern-Prozessor („Exynos 7420“), der aus der hauseigenen Chip-Schmiede stammt. Die Samsung-Ingenieure haben vier der acht Kerne für besonders leistungshungrige Anwendungen mit 2,1 Gigahertz (GHz) getaktet, die anderen 4 sparsameren Kerne begnügen sich mit 1,5 GHz. Standard-Aufgaben erledigen die langsameren Kerne, bei rechenintensiven Aufgaben werden die vier Turbo-Kerne zugeschaltet. Bei den gängigen Benchmark-Tests sind die S6-Modelle rund 50 Prozent schneller und bewegen sich sonst in der Klasse des aktuellen Spitzenmodells One (M9) von HTC. Das Nexus 6 von Google/Motorola hängen die beiden S6 locker ab. In der Praxis leisten sich die S6-Modell keinen Ruckler, auch bei grafisch intensiven Apps. Die Geräte verfügen über drei Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher und unterstützen alle gängigen Mobilfunkstandards.
Auch bei den beiden Kameras gibt es nichts zu meckern. Auf der Rückseite hat Samsung wie beim Vorgängermodell S5 eine 16-Megapixel-Kamera verbaut und ihr einen optischen Bildstabilisator verpasst. Damit gelingen bei Tageslicht scharfe Bilder mit natürlichen Farben. Der Kontrast fällt kräftig, aber nicht übertrieben stark aus. In der Dämmerung und bei Kerzenlicht fängt dank der Blende von F1.9 ein stärkeres Farbrauschen erst dann an, wenn die Umgebung in sehr schummriges Licht getaucht ist. Etwas aufgeräumter als beim S5 hat Samsung nun die Kamera-App gestaltet, bei der die Funktionen nun klarer beschriftet sind.
Da man nun den Akku nicht mehr auf die Schnelle austauschen kann, spielt die Batterielaufzeit eine besonders wichtige Rolle. Im Praxistest kamen wir bei einer herkömmlichen Nutzung knapp zwei Tage lang ohne ein Nachladen aus. Im Dauer-Stresstest machte der Akku nach zehn Stunden ununterbrochener HD-Video-Wiedergabe schlapp. Das sind sehr gute Werte. Dazu kommt, dass mit dem Netzteil kurze Ladezeiten erzielt werden. Im Test war ein fast vollständig entladener Akku in gut 90 Minuten wieder voll. Beide Geräte unterstützen außerdem die drahtlose Ladung per Induktion nach dem Qi-Standard.
Deutlich verbessert wurde auch der Fingerabdruck-Sensor im Vergleich zum S5 oder Note 4. Der Finger kann jetzt wie beim iPhone auf den Sensor aufgelegt werden, man muss also nicht mehr mit dem Finger über den Homebutton streichen, was zu schlechteren Erkennungsergebnissen geführt hat. Allerdings unterstützen unter Android bislang nur wenige Apps diese Funktion. Apple hat mit seiner „Touch ID“ hier noch einen Vorsprung.
Samsung-Fans werden darüber enttäuscht sein, dass der bei den Vorgänger-Modellen so populäre Speicherkarten-Steckplatz dem Re-Design des Gehäuses zum Opfer gefallen ist. Bei den älteren Galaxy-S-Modellen konnte man den fest verbauten Speicher durch Micro-SD-Karten flexibel aufstocken. Das ist nun nicht mehr möglich. Potenzielle Käufer müssen sich zwischen Speicherausstattungen von 32, 64 und 128 Gigabyte entscheiden. Anders als der Vorgänger S5 sind die beiden S6-Modelle trotz des weggefallenen Karten-Slots nicht mehr wasserdicht.
Einen groben Schnitzer leistet sich Samsung bei der Software-Ausstattung seiner beiden Spitzen-Smartphones. Nach dem ersten Start des Geräts werden ohne Nachfrage eine Reihe von Apps installiert, die klar in die Kategorie „Bloatware“ (englisch „to bloat“ - aufblähen) fallen. Dazu gehören Anwendungen vom Modeversand Zalando, dem Cewe Fotoservice oder von pizza.de, die sicherlich nicht jeder Anwender ungefragt auf seinem Smartphone haben möchte. Immerhin können Anwender die unerwünschten Bloatware-Apps von Drittanbietern wieder deinstallieren.
Warum Samsung seine als hochwertig und Edel-Smartphones eingestuften Geräte mit dieser Werbe-Software vollpackt, bleibt trotzdem ein Rätsel. Bei Preisen zwischen 849 und 1049 Euro (S6 Edge) bzw. 699 bis 899 Euro (S6) je nach Ausstattung sollte Samsung nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen sein. Die Südkoreaner verderben damit ein wenig den guten Eindruck, den sie sich mit einer verbesserten Software-Oberfläche erarbeitet haben. Im Gegensatz zu den Nexus-Modellen von Google bieten die Samsung-Smartphones ja nicht „Android pur“, sondern haben die Bedienoberfläche modifiziert. Samsungs „TouchWiz“ kommt auf den beiden S6-Modellen viel aufgeräumter daher und wurde an das Farbspektrum der aktuellen Android-Version Lollipop angepasst.
Nach etwas Aufräum-Arbeit nach der Inbetriebnahme dürfte jedoch der Ärger über unnötig installierte Apps bald vergessen sein. Unter dem Strich bieten beide S6-Modelle ein überzeugendes Design, ein exzellentes Display, eine überdurchschnittlich gute Akkulaufzeit und viel Power. Das alles hat seinen Preis. Die beiden S6-Modelle sind nun teurer als das iPhone von Apple.