Datendiebstahl: Online-Shopper bleiben gelassen
Berlin (dpa) - Trotz des Datendiebstahls bei Sony wollen die meisten Internet-Nutzer in Deutschland weiter wie bisher online einkaufen. Ist das naiv? Nein, sagen Experten - sondern menschlich und damit durchaus verständlich.
Sie sehen eine Mischung aus Pragmatismus und Gleichgültigkeit.
„Man geht ins Netz und rechnet damit, dass etwas schief geht“, sagt Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann von der Bundeswehr-Universität in Hamburg. „Und wenn das die Erwartung ist, dann erschüttern solche Vorfälle wie bei Sony natürlich weniger.“ Nutzer hätten sich auch schon vor dem Skandal ständig gefragt: „Wann bin ich dran?“ Menschen wegen der Risiken generell vom Online-Einkauf abzuraten, wäre „lebensfremd“, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.
In einer Online-Umfrage unter Internet-Nutzern im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa sagten nur 4 Prozent, dass sie als Konsequenz aus dem Datenleck bei Sony gänzlich auf Einkäufe im Netz verzichten werden. 84 Prozent antworteten mit einem klaren „Nein“. Fast zwei Drittel (61 Prozent) wollen ihre Einkäufe im Internet künftig auch nicht einschränken, so ein Ergebnis der repräsentativen Befragung des Kölner Meinungsforschungsinstituts YouGov. Für die Erhebung wurden 1020 Internet-Nutzer befragt.
Unbekannte Angreifer hatten bei Sony die Daten zu möglicherweise mehr als 100 Millionen Nutzerkonten gestohlen, darunter könnten auch Kreditkarten- und Bankkonten-Informationen aus Deutschland sein.
Was Kriminelle mit gestohlenen Daten anfangen könnten, übersteige die Vorstellungskraft normaler Menschen, glaubt Konsumsoziologe Hellmann. Natürlich gebe es auch „ignorante Nutzer“, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen seien. Ihren Anteil an den Online-Nutzern schätzt er allerdings nur auf zehn Prozent.
Fast jeder vierte Befragte (23 Prozent) fühlt sich nach dem Datenklau bei Sony deutlich unsicherer, wenn er im Internet einkauft oder Online-Dienste nutzt. 39 Prozent der Nutzer fühlen sich „etwas weniger sicher“. Fast genauso viele (38 Prozent) sagen: „Nein, meine Wahrnehmung der Sicherheit ist dadurch nicht beeinträchtigt worden.“
Dass so viele gelassen reagieren, führt Konsumsoziologe Hellmann auch darauf zurück, dass in Deutschland eine „Sicherheitskultur“ propagiert werde. „Der Konsument wird in einem Gefühl der Sicherheit belassen und denkt 'Die Bank haftet ja'.“
Im Internet die eigenen Daten preiszugeben, sei für viele Menschen außerdem schon zur Routine geworden, sagt Soziologe Nils Zurawski von der Universität Hamburg. „Und wenn wir uns über alles Gedanken machen müssten, kämen wir zu nichts.“ Unsicherheiten würden oft ausgeblendet, um das Leben nicht komplizierter zu machen. Einige Nutzer glitten beim Umgang mit Daten im Internet auch in einen „stillschweigenden Fatalismus“ ab, nach dem Motto: „Es wird schon nichts passieren.“ Außerdem sei Einkaufen im Internet eben modern. „Wer ist schon gern altmodisch?“, so Zurawski.
Generell sei Nutzern Datenschutz schon wichtig, sagt er. Stehe allerdings etwas Anderes im Fokus - etwa der Kauf eines Computerspiels - gerate der Sicherheitsaspekt in den Hintergrund. „Die Nutzer sind nicht naiv, ihnen sind nur andere Dinge wichtiger.“ Menschen neigten auch zu der Annahme, alles kontrollieren zu können - auch, was mit ihren preisgegebenen Daten geschehe. „Dabei ist das natürlich viel zu komplex“, sagt Zurawski.
Der Online-Einkauf berge sicherlich andere Gefahren als der Einzelhandel, sagt Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. „In den meisten Fällen geht es gut, aber prinzipiell besteht natürlich eine Gefahr.“ Menschen könnten jedoch nicht permanent über Gefahren nachdenken. „Sonst sitzen sie nur noch unterm Tisch und warten aufs Erdbeben.“