Mobiler Datenturbo LTE kommt in der Großstadt an
Berlin (dpa) - Der neue Mobilfunkstandard LTE soll zuerst die „weißen Flecken“ der Breitbandversorgung auf dem Land abdecken. Inzwischen aber ist der mobile Datenturbo auch in der Stadt angekommen.
Unter der Kuppel des Sony-Centers am Potsdamer Platz in Berlin hängt in einem kleinen grauen Kasten die Technik für die Basisstation des ersten LTE-Netzes im Zentrum der Hauptstadt, betrieben von Vodafone. „Berlin hat als eigenes Bundesland ja keine weißen Flecken, da können wir LTE schon jetzt anbieten“, sagt der zuständige Manager bei Vodafone Deutschland, Zoltan Bickel.
In einem Café muss das LTE-Netz zeigen, was es kann. Mit einem speziellen Mobilfunkstick, hergestellt von Samsung, rauschen die Daten eines Videos in HD-Qualität schneller ins Notebook, als es fürs Abspielen nötig ist - die YouTube-Plattform zeigt auf der Skala gleichzeitig Abspielposition und bereits eingegangene Daten an. Ein Geschwindigkeitstest auf der Webseite speed.io misst eine Download-Geschwindigkeit von 32 522 Kilobit pro Sekunde. Beim bisherigen Mobilfunkstandard UMTS sind es maximal 384 Kilobit pro Sekunde, mit dem HSDPA-Verfahren können bis zu 7200 Kilobit erreicht werden. In der Praxis bleiben die erreichten Werte aber meist darunter.
Im Upload, also beim Hochladen von Daten ins Netz, zeigt der Tempomesser fürs LTE-Netz 8970 Kilobit pro Sekunde an. Ist der mobile Computer nicht direkt mit einem Stick ans LTE-Netz angeschlossen, sondern indirekt über einen WLAN-Hotspot, ergibt der Test am Potsdamer Platz noch 22 685 Kilobit/sec im Download und 8832 Kilobit/sec im Upload.
Weitere Gebiete in Berlin, in denen Vodafone schon mit LTE präsent ist, sind die Region am Flughafen Tegel, Steglitz mit Umgebung und der Ortsteil Adlershof im Bezirk Treptow-Köpenick. Die bisher in Berlin errichteten LTE-Pilotstandorte erreichen 15 000 bis 20 000 Haushalte. „Wir wollen bis Ende 2011 die weißen Flecken erschließen und gehen dann in die Städte hinein“ erklärt Bickel. „Die bundesweite Abdeckung ist ein Ausbauprogramm von vier bis fünf Jahren.“
Bei der Deutschen Telekom soll Köln im Herbst nahezu flächendeckend mit LTE versorgt werden. „Das ist die erste Stadt, es werden weitere Städte folgen“, sagt Telekom-Sprecher Georg von Wagner. Bei Telefónica mit der Marke O2 wird zurzeit in München mit 17 und in Halle mit 20 Basisstationen getestet. „Mit einem kommerziellen Angebot starten wir spätestens zum 1. Juli“, sagt Telefónica-Sprecher Albert Fetsch.
Mit LTE bleibt die Mobilfunkverbindung auch bei höheren Geschwindigkeiten bis etwa 300 Kilometern in der Stunde erhalten - genug für die schnellste ICE-Strecke. Großes Interesse haben aber auch Automobilhersteller wie Audi oder BMW. Bisher sei das Auto von den Diensten der digitalen Welt nahezu abgeschnitten, sagte Reinhard Clemens vom Vorstand der Deutschen Telekom am Donnerstag auf einer Konferenz der Zeitschrift „Automobilwoche“ in München. Mit einfachen Geräten mit Touchscreen-Bedienung und Spracherkennung könnten künftig neuartige Anwendungen aus der „Cloud“, also aus verteilten Rechenzentren im Internet, ins Auto gelangen.
Die schnellen, mobilen Internet-Verbindungen benötigen auch entsprechend leistungsfähige Anbindungen der Basisstationen ans „Backbone“, wie die dicken Leitungen für den Transport der immer umfangreicheren Datenmassen genannt werden. „Hier verlegen wir unter anderem auch Glasfaser und sorgen für einen Anschluss mit mindestens 300 Megabit pro Sekunde“, erklärt Vodafone-Manager Bickel.
Das Stichwort Glasfaser bereitet den Vodafone-Managern zurzeit aber einige Kopfschmerzen. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat ein Positionspapier zur geplanten Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vorgelegt, in dem indirekt die Verlegung von Glasfaserleitungen bis in jedes Haus gefordert wird. Ob derart aufwendige Vorgaben tatsächlich Gesetz werden, ist bislang nicht abzusehen.
Der bei Vodafone für Strategie und Recht zuständige Manager Stephan Korehnke fordert jedoch, „dass die geplante TKG-Novelle technologieneutrale Lösungen unterstützt“ - und da müsse bei einer staatlich garantierten Breitbandversorgung auch LTE akzeptiert werden. „Wenn das Gesetz mit der Glasfaser eine bestimmte Technologie einseitig bevorzugen würde, benachteiligt dies die Investitionen in alle alternativen Breitbandtechnologien.“