Deutschland probt den Cyber-GAU
Ahrweiler (dpa) - Einen Moment lang wird die Krisenübung dann doch zu realistisch. „Heute Abend werden verschiedene Flughäfen wie Frankfurt und Hannover für kurze Zeit dicht machen, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist“, verkündet Norbert Reez, Chefsimulator eines bundesweiten Cyber-Angriffs.
Da stellt Ursula Fuchs, Sprecherin des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), vor den Journalisten doch mal zur Sicherheit klar: „Das meint er nur virtuell. Das ist eine komplett virtuelle Welt, in der wir uns bewegen, gell?“
Sonst könnte einem aber auch Angst und Bange werden. Man stelle sich vor: Der Super-Trojaner schlägt zu, in ganz Deutschland fallen Computersysteme aus. An den Flughäfen funktionieren die Kontrollen nicht mehr, am Bankautomaten können die Leute kein Geld mehr ziehen, und das in der Vorweihnachtszeit.
Die Reaktionen auf eine solche Krise werden an diesem Mittwoch und Donnerstag möglichst realistisch durchgespielt, es gibt sogar eine falsche „Tagesschau“ mit dem echten „Tagesschau“-Sprecher. Etwa 3000 Mitarbeiter des Bundes und der Länder sind daran beteiligt, aber auch Banken, Flughäfen, Unternehmen, Polizei - alle spielen mit. Die Übung heißt „LÜKEX 11“.
„Das ist unser Drehbuch!, sagt BBK-Präsident Christoph Unger und hält einen dicken Packen Papier hoch. Jetzt ist es gerade 12.02 Uhr - mal gucken, was gerade dran ist. Hier: „Die Commerzbank informiert über enorm viele besorgte Kundenanrufe.“ Na also, sagt Unger: „Die Eskalation nimmt ihren Lauf!“
„Es ist ein Szenario, das im Alltag vorkommt“, unterstreicht Horst Flätgen, Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). „Das Regierungsnetz wird jeden Tag vieltausendfach angegriffen.“ Nur werden die Angriffe normalerweise eben erfolgreich abgewehrt, anders als in der Übung.
Gesteuert wird die Operation von einem idyllischen Ort in den rheinland-pfälzischen Weinbergen bei Ahrweiler. Dort liegt die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz. Auf der ersten Etage wird hier der Ausnahmezustand vorgegaukelt. Es gibt verschiedene Gruppen, an einer Tür hängt zum Beispiel das Schild „Bevölkerung“. Aber die Bevölkerung ist weg. Panik? „Die sind grad zu Tisch“, sagt ein Mann.
Zwei Gänge weiter ist die „Gestamtsteuerung“, aber auch da knistert's nicht. Kein bisschen Anspannung. „Das liegt daran, dass wir hier die Übung nur steuern, erklärt Wolfgang Grambs, der „LÜKEX 11“ seit zwei Jahren mit vorbereitet hat. Die, die hier sitzen, sorgen dafür, dass die anderen Stress haben - in den Krisenstäben der Ministerien zum Beispiel.
„Ich glaube, dass der Psycho-Stress bei denen teilweise ganz schön hochkocht“, sagt Ulrich Twrsnick, der mit seiner Medien-Gruppe gerade die „Bild“-Schlagzeile „Geldautomaten-Pleite: Run auf Bargeld“ verschickt hat. „In den Krisenstäben arbeitet man ja wirklich dem Staatssekretär zu.“
Teilweise wirkt das Ganze schon recht realistisch. Ein echter Journalist, der gekommen ist, um darüber zu berichten, wirft die Frage auf, ob es nicht sein könne, dass der Super-Trojaner am Ende richtigen Hackern in die Hände falle. Da muss Norbert Reez lächeln, und es ist irgendwo ein zufriedenes Lächeln: „Der hier beschriebene theoretische Super-Trojaner existiert so nicht.“ Ist doch alles nur gespielt!