Die Apple Watch im Test: Eine vielversprechende Premiere
Berlin (dpa/tmn) - Apple-Fans müssen sich gedulden. Weil ein Zulieferer aus China ein wichtiges Bauteil für die Apple Watch nicht in der geforderten Qualität liefern kann, müssen die Kunden wochenlang auf die Smartwatch warten.
Doch der Test zeigt: Es lohnt sich, auf die Apple Watch zu warten, auch wenn es sich nicht um ein perfektes Produkt handelt.
Die getestete Uhr mit 42-Millimeter-Edelstahlgehäuse und Gliederarmband fühlt sich am Handgelenk sehr angenehm an. Der Saphir-Bildschirm geht kantenlos in das Gehäuse über. Das Armband erfüllt nicht nur die Qualitätsansprüche, wie man sie von Schweizer Edelmarken her kennt, sondern kann auch ohne Werkzeug auf den passenden Umfang gekürzt werden. Zur Ersteinrichtung der Apple Watch benötigt man ein aktuelles iPhone (5, 5s, 6 oder 6 Plus), das mit der iOS-Version 8.3 läuft. Android-Smartphones werden nicht unterstützt.
Bei einem iPhone mit vielen installierten Apps dauert es rund drei Minuten, bis sich die Apple Watch einen Überblick verschafft hat, welche Smartphone-Anwendungen mit der Uhr kommunizieren können. Danach sollte man sich etwas Zeit nehmen, um im Detail festzulegen, welche iPhone-App eine Benachrichtigung auf der Apple Watch auslösen darf. Schließlich will man vermeiden, dass die Uhr am Handgelenk ständig vibriert, nur weil etwa ein Bekannter in einem sozialen Netzwerk wieder einmal ein belangloses Foto veröffentlicht hat.
Die Apple Watch verfügt über einen AMOLED-Bildschirm mit einer Auflösung von 272 mal 340 Pixeln. Das Bild erscheint knackig scharf, die Farben sehen kräftig und brillant aus. Der Helligkeitsregler war im Test ohne Rücksicht auf die Batterielaufzeit auf das Maximum eingestellt, damit der Bildschirm auch bei heller Umgebung gut ablesbar bleibt.
Die Apple Watch beherrscht drei Disziplinen: Zum einen ist sie eine Armbanduhr, zum anderen ein Gesundheits- und Fitnesstracker und schließlich ein vielseitiger Computer am Handgelenk, für den es mittlerweile mehr als 3700 Apps gibt. Ist das iPhone in der Nähe, kann man über die Apple Watch auch telefonieren. Das Ziffernblatt der Apple Watch zeigt einen klassischen Chronographen, aber auch verspielte Mickey-Maus-Zeiger, die aktuelle Mondphase oder etliche andere „Komplikationen“ an. Um den Bildschirm aus dem Stromsparmodus zu aktivieren, muss man das Handgelenk anheben oder auf die digitale Krone tippen. Drückt man die Krone zwei Mal kurz hintereinander, erscheint die zuletzt genutzte App.
Als Fitness-Tracker kann die Apple Watch nicht nur Schritte beim Walken oder Jogging und erklommene Stufen zählen, sondern auch Fahrradtouren und Trainingseinheiten auf einem Stepper, Crosstrainer oder Ruder-Heimtrainer aufzeichnen. Nur zum Schwimmen eignet sich die Apple Watch nicht. Die Smartwatch bietet zwar einen „Schutz gegen zeitweises Untertauchen“ nach der Norm IPX7, aber schon ein harter Wasserstrahl unter der Dusche könnte die Uhr außer Gefecht setzen.
Neben den Apple-Apps „Aktivität“ und „Workout“ arbeitet die Uhr mit etlichen bekannten Sport-Apps wie „ Runtastic“ oder „ Trails“ zusammen, bei denen dann auch auf die GPS-Daten des iPhones zugegriffen wird. Ein ordentliches Work-out, bei dem eine Stunde lang der Puls gemessen und gleichzeitig Musik von der Uhr auf einen drahtlosen Bluetooth-Kopfhörer gestreamt wird, verzehrt ein Fünftel der Energiekapazität. Bei einer weniger sportlichen Nutzung im Alltag hält der Apple-Watch-Akku mit 205 Milliamperestunden (mAh) Kapazität deutlich länger. So stand an etlichen Tagen während des Tests abends noch eine „Gangreserve“ von rund 40 Prozent zur Verfügung. Apple geht allerdings davon aus, dass die Uhr jede Nacht aufgeladen wird.
Zu Beginn des Tests verkürzte die ständige Kommunikation zwischen Apple Watch und iPhone auch die Akkulaufzeit des Smartphones spürbar. Allerdings verschwand dieser Effekt nach einigen Tagen fast vollständig, weil das iPhone deutlich seltener aus dem Ruhezustand geholt wurde, da etliche Aktivitäten ausschließlich auf der Apple Watch stattfanden. Die Uhr registriert übrigens genau, ob das gekoppelte iPhone gerade aktiv genutzt wird oder nicht. So lassen Mitteilungen nur dann die Apple Watch vibrieren, wenn der Bildschirm des iPhones ausgeschaltet ist.
Ein Druck auf einen Knopf unterhalb der Krone ruft die Kommunikationszentrale der Uhr auf. Hier erscheinen bis zu zwölf Favoriten, die man vom iPhone übernehmen oder individuell auf der Apple Watch anlegen kann. Textbotschaften kann man bequem mit Siri diktieren oder aus einer Liste vorformulierter Mitteilungen à la „Ich bin unterwegs“ auswählen. Die Spracheingabe mit Siri, die mit dem Kommando „Hey Siri“ oder einem langen Druck auf die Krone aktiviert wird, funktioniert zuverlässig. Über die virtuelle Assistentin kann man auch Kommandos absetzen und beispielsweise eine Navigation starten. Auch das klappt reibungslos.
Besonders häufig genutzte Apps kann man in den „Glances“ ablegen. Diesen Bereich, den Apple hierzulande „Checks“ getauft hat, erreicht man, wenn man auf dem Ziffernblatt nach oben wischt. Hier sieht man beispielsweise einen Überblick über die sportlichen Aktivitäten, den aktuellen Puls oder die Wettervorhersage. Entgegen den Befürchtungen von Datenschützern lässt sich das Auslesen der sensiblen Fitness- und Gesundheitsdaten in den Voreinstellungen unterbinden. In den „Checks“ findet man auch die äußerst praktische Funktion, dass man das gekoppelte iPhone läuten lassen kann, wenn man es irgendwo in der Wohnung verlegt hat.
Apps, die Inhalte aus dem Internet abrufen müssen, brauchen eine Zeit lang, bis sie die gewünschten Informationen anzeigen, etwa die Wetter-App oder der Aktien-Ticker. Dies könnte schneller geschehen. Auch der Aufbau mancher Apps lässt noch Raum für Verbesserungen. So zeigt die Twitter-App nur entweder den neusten Tweet aus der eigenen Timeline oder das aktuelle Trendthema an. Einzelne Twitter-User oder ein spezielles Thema lassen sich mit der App noch nicht auf der Watch verfolgen. Anwender können hier aber auf schnelle Verbesserungen hoffen. Und jeden Tag kommen neue Apps heraus, die die Apple Watch wertvoller machen. Etwa der „Car Location Finder“: Bei dieser App kann man mit einem Knopfdruck den Standort seines geparkten Autos auf der Uhr und dem iPhone abspeichern und den Wagen auch bei schlechtem Kurzzeitgedächtnis später im Straßengewühl wiederfinden.
Neben dem Design der Uhr selbst werden die Apps beim Wettstreit von Apple mit den konkurrierenden Smartwatch-Herstellern entscheidend sein. Die Apps für die Apple Watch laufen ohne Unterschied auf den drei Modellreihen: der Apple Watch Sport (349 bis 449 Euro), der hier getesteten Apple Watch (649 bis 1249 Euro) und der aberwitzig teuren goldenen Apple Watch Edition, die zwischen 11 000 und 18 000 Euro kostet.
Die erste Generation der Apple Watch ist sicherlich noch nicht perfekt. Vor allem die kurze Laufzeit des Akkus, die ein tägliches Nachladen erzwingt, trübt etwas den vielversprechenden Eindruck, den die Apple Watch im Test hinterlassen hat. Ihr volles Potenzial wird die Smartwatch erst in den kommenden Wochen und Monaten mit neuen, angepassten Apps entfalten. Bei Besitzern eines iPhones, die nicht für jede Kleinigkeit das Smartphone aus der Tasche holen wollen, könnte die Apple Watch schnell zum festen Bestandteil ihres digitalen Lebensstils werden.